Puppengrab
höchstens achttausend Dollar«, erwiderte Neil. »An der Rückseite ist etwas gemacht worden.«
Der Typ starrte ihn mit offenem Mund an. Sollte er ruhig ins Grübeln kommen.
Neil entdeckte die beiden Puppen in Kartons neben Beths Computer. »Die habe ich gesucht. Ich bin dann fertig hier, wir sollten wieder gehen. Ich habe noch ein Meeting mit dem Sondereinsatzkommando.« Es tat gut, das zu sagen.
»Okay«, stimmte der andere zu und folgte Neil nach draußen. »Aber ich würde niemals sechstausend dafür ausgeben, nicht einmal sechshundert.«
Neil begab sich ins Innerste der Behavioral Science Unit in Quantico. Er hatte den Anzug gewechselt und trug einen Besucherausweis am Revers. Ihm entging nicht die Ironie, dass er als Besucher beim FBI war. Während er durch die fensterlosen Flure im Kellergeschoss begleitet wurde, kam er sich einerseits wie ein Eindringling vor, andererseits war es, als kehrte er nach Hause zurück.
Die »Kommandozentrale« der Sondereinsatztruppe befand sich in einem mittelgroßen Konferenzsaal mit einem großen Tisch, mehreren Laptops, Übertragungsmonitoren an den Wänden, wo sich normalerweise Fenster befanden, und einem halben Dutzend FBI -Agenten und Detectives. Sie eilten geschäftig hin und her, machten sich mit dem Fall vertraut, der bereits die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt hatte. Der SAC , Special Agent in Charge, war ein Mann, den Neil nur dem Namen nach kannte – Armand Copeland. Es handelte sich um einen groß gewachsenen Schwarzen in den Fünfzigern, dessen gelegentliche Auftritte in den Nachrichten Neil stets an den Schauspieler James Earl Jones erinnert hatten. Copeland war konservativ und immer korrekt – ein Mann, der in seiner Freizeit vermutlich eine Benimmbibel nach der anderen verschlang.
Was Neil zu der Frage brachte, weshalb Copeland ihn dazugebeten hatte. Wollte er ihn an dem Fall beteiligen oder lediglich alle Informationen abschöpfen, bevor er ihm einen Tritt in seinen zivilen Hintern verpasste? Neil zwang sich, seine Bedenken zu unterdrücken. Es war deutlich einfacher gewesen, im Zentrum der Ermittlungen zu agieren, als Rick noch am Ruder gewesen war. Neil hatte beinahe freie Hand gehabt. Ein Sonderkommando des FBI mit Armand Copeland an der Spitze war jedoch weniger gemütlich in der Zusammenarbeit.
Versucht bloß nicht, mich aus der Sache rauszudrängen,
dachte er angriffslustig.
Außer Standlin und Brohaugh waren noch zwei weitere Personen anwesend, die sich ihm vorstellten: ein externer Agent namens Juan Suarez, der konzentriert einen Streifen Kaugummi mit Juicy-Fruit-Geschmack auswickelte, und ein knapp zwei Meter großer Schwarzer, der wie ein Schrank gebaut war. Neil hatte gerade feststellen müssen, dass er den Namen des Riesen nicht mitbekommen hatte – Harry oder Jerry –, als Lexi Carter hereinkam und ihm zuwinkte. Neil war ein paar Mal mit ihrem Ehemann boxen gewesen. Sie hatte feine Gesichtszüge und wie Beth dunkles Haar, was, wie Neil vermutete, der Grund für ihre Anwesenheit war. Sie war der Köder.
SAC Copeland legte den Plan dar. »… und Brohaugh wird die Außendienststellen und Regionalbüros koordinieren. Bei ihm läuft alles zusammen, hier in der Einsatzzentrale.«
»Gibt es schon etwas Neues wegen der beiden vermissten Frauen?«, fragte Harry-Jerry.
»Bisher noch nicht«, antwortete Copeland, als eine junge Frau mit blondiertem Haar zur Gruppe stieß. O’Ryan, dachte Neil, der sie wiedererkannte. Sidney O’Ryan. Er hatte einmal im Fahrstuhl mit ihr geflirtet, doch als er zu übermütig wurde, hatte sie ihm ihren Dienstausweis entgegengehalten, und er hatte es ihr gleichgetan.
»O’Ryan ist unsere Verbindung zur Presse«, erklärte Copeland, woraufhin sie eine Grimasse zog.
»Warum ich?«
»Es liegt an deiner Nase,
Querida
«, erwiderte Suarez mit seinem leichten lateinamerikanischen Akzent. »Du bist die Einzige, die ihre Nase überall hineinstecken und den Leuten da draußen einen Bären aufbinden darf, weil man ihr glaubt.«
Copeland fragte: »Also, wie lautet Ihr Plan?«
»Standlin hilft mir, eine Pressemitteilung aufzusetzen«, antwortete O’Ryan. »Sie denkt, dass wir dem Scheißkerl zunächst schmeicheln sollten, damit er sich ganz besonders schlau vorkommt und hört, wie viele Agenten für diesen Fall abgezogen wurden.«
Copeland runzelte die Stirn. »Wird er uns das abkaufen?«
»Ich weiß es nicht«, schaltete sich Standlin ein. »Ich habe sein Profil noch nicht ganz erstellen
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