Puppenmord
Schülern umgegangen, die auf Demonstrationen waren«, bemerkte Braintree.
»Jaja, aber Schüler und Studenten sind doch ganz was anderes, und demonstrierende Studenten bekommen nur, was sie verdienen. Politische Hetze ist eins, aber ein Mord in der Familie von der Art, wie ihr Freund Mr. Wilt ihn sich geleistet zu haben scheint, gehört in eine völlig andere Kategorie. Ich kann ehrlich sagen, daß ich in all den Jahren meiner Rechtspraxis noch keinem Fall begegnet bin, bei dem die Polizei einen normalen Mörder nicht mit viel Fürsorge und nicht geringem Mitgefühl behandelt hätte. Schließlich sind sie selber fast alle verheiratet, und auf jeden Fall hat Mr. Wilt ein Universitätsdiplom, und das hilft immer. Wenn man ein Kopfarbeiter ist, und trotz allem, was manche Leute sagen mögen, haben Lehrer an einer Berufsschule es ja mit Köpfen zu tun, wenn auch nur gerade so eben, dann können Sie sich darauf verlassen, daß die Polizei absolut nichts Unerfreuliches tut. Mr. Wilt ist vollkommen sicher.
Und Wilt fühlte sich sicher. Er saß im Vernehmungszimmer und sah Inspektor Flint interessiert an.
»Die Begründung? Da haben wir eine reizvolle Frage«, sagte er. »Wenn Sie mich als erstes gefragt hätten, warum ich Eva geheiratet habe, hätte ich Schwierigkeiten gehabt, Ihnen das zu erklären. Ich war jung damals und . .. «
»Wilt«, sagte der Inspektor, »ich habe Sie aber nicht gefragt, warum Sie Ihre Frau geheiratet haben. Ich habe Sie gefragt, warum Sie beschlossen, Sie umzubringen.«
»Ich habe nicht beschlossen, sie umzubringen«, sagte Wilt.
»War es eine spontane Handlung? Eine vorübergehende Anwandlung, der Sie nicht widerstehen konnten? Eine Wahnsinnstat, die Sie jetzt bedauern?«
»Es war alles das nicht. Vor allem war es keine Tat. Es war reine Illusion.«
»Aber Sie geben zu, daß Ihnen der Gedanke in den Sinn kam?«
»Inspektor«, sagte Wilt, »wenn ich jedem Einfall nachgäbe, der mir in den Sinn kommt, dann säße ich schon lange wegen Vergewaltigung Minderjähriger, Sodomie, Einbruch, tätlicher Beleidigung mit schwerer Körperverletzung und Massenmord hinter Gittern.«
»Das ist Ihnen alles in den Sinn gekommen?«
»Dann und wann mal, ja«, sagte Wilt.
»Sie haben verdammt sonderbare Gelüste.«
»Die ich mit der überwiegenden Mehrzahl der Menschen teile. Ich möchte meinen, sogar Sie haben in Ihren sonderbaren Grübelminuten . . .«
»Wilt«, sagte der Inspektor, »ich habe keine sonderbaren Grübelminuten. Jedenfalls nicht, bevor ich Ihnen begegnet bin. Also gut, Sie geben zu, daran gedacht zu haben, Ihre Frau umzubringen.«
»Ich sagte, der Gedanke ging mir durch den Sinn, besonders, wenn ich mit dem Hund spazieren gehen mußte. Ein Spiel, das ich mit mir selber spiele. Weiter nichts.«
»Ein Spiel? Sie gehen mit dem Hund spazieren und denken über Mittel und Wege nach, Mrs. Wilt umzubringen. Ich nenne das nicht Spiel. Ich nenne das Vorbedacht.«
»Nicht schlecht«, sagte Wilt und lächelte, »»bedenken«. Eva verknotet sich auf dem Wohnzimmerteppich im Lotussitz und denkt schöne Gedanken. Ich geh mit dem verfluchten Hund spazieren und denke schreckliche, während Clem in Grenville Gardens auf die Rabatten kackt. Und jedesmal ist das Endergebnis genau dasselbe. Eva entknotet sich wieder, macht Abendbrot und wäscht ab, und ich komme heim, guck in die Glotze oder lese und gehe schlafen. Und nichts hat sich so oder so verändert.«
»Jetzt aber«, sagte der Inspektor. »Ihre Frau ist zusammen mit einem genialen jungen Wissenschaftler und seiner Frau wie vom Erdboden verschwunden, und Sie sitzen hier und warten darauf, des dreifachen Mordes angeklagt zu werden.«
»Den ich zufällig nicht begangen habe«, sagte Wilt. »Na schön, solche Sachen passieren eben. Die Geisterhand schreibt, und hat sie geschrieben . . .«
»Scheiß auf die Geisterhand. Wo sind sie? Wo haben Sie sie hingebracht? Sie werden mir das jetzt erzählen.«
Wilt seufzte. »Ich wollte, ich könnte es«, sagte er, »das wollte ich wirklich. Sie haben jetzt die Plastikpuppe . . .«
»Nein, haben wir nicht. Noch lange nicht. Wir bohren uns immer noch durch massiven Fels. Ganz egal, Was da unten ist, wir kriegen es allerfrühestens morgen raus.«
»Da gibt's ja was, worauf man hoffen kann«, sagte Wilt. »Dann lassen Sie mich doch wohl laufen.«
»Das denken Sie sich so. Am Montag führe ich Sie dem Untersuchungsrichter vor.«
»Ohne irgendeinen Mordbeweis? Ohne eine Leiche? Das können Sie gar
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