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Puppenmord

Titel: Puppenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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stinken mich an«, sagte der Inspektor und ging aus dem Zimmer.
    Wilt stand auf und ging hin und her. Er hatte das Sitzen satt. Andererseits war er mit seinem Auftritt sehr zufrieden. Er hatte sich selbst übertroffen und war stolz darauf, daß er sich so gut in einer Lage zu helfen wußte, die die meisten Leute für entsetzlich gehalten hätten. Aber für Wilt war es noch was, eine Herausforderung, die erste wirkliche Herausforderung, der er seit langem zu begegnen hatte. Die Gasinstallateure und Gipser hatten ihn einstmals herausgefordert, aber er hatte gelernt, mit ihnen fertigzuwerden. Man strich ihnen Honig ums Maul, ließ sie quatschen, stellte Fragen, brachte sie zum Lachen, ließ sie machen, nahm ihre Ablenkungsmanöver hin und unternahm selber welche, aber vor allem mußte man sich weigern, ihre Vorurteile anzunehmen. Wenn sie mit absoluter Überzeugung irgendwas als ganz selbstverständliche Wahr-hcit hinstellten, wie zum Beispiel, daß alle Scheiß Nigger aus Calais kämen, dann mußte man ihnen erstmal zustimmen, um dann darauf hinzuweisen, daß die Hälfte aller großen Männer in der englischen Geschichte Ausländer waren, wie etwa Mar-coni oder Lord Beaverbrook, und daß sogar Churchills Mutter eine Yankeemama war, oder man mußte ihnen was von den Walisern erzählen, von denen alle Engländer abstammten, und von den Wikingern und Dänen, und sie dann von hier über die indischen Ärzte auf den Nationalen Gesundheitsdienst und die Geburtenkontrolle und sonstweiche Themen auf Gottes weiter Erde bringen, die sie den Mund halten und verwirrt und verzweifelt versuchen ließen, irgendein allerletztes Argument zu finden, das einen widerlegen würde.
    Inspektor Flint war kein bißchen anders. Er war unnachgiebiger, aber seine Taktik war dieselbe. Und außerdem beurteilte er die Angelegenheit absolut verkehrt, und es amüsierte Wilt, ihn dabei zu beobachten, wie er versuchte, ihm ein Verbrechen anzuhängen, das er nicht begangen hatte. Er fühlte sich dadurch beinahe wichtig und gewiß so viel männlicher, wie schon lange, lange nicht mehr. Er war unschuldig, daran war überhaupt nichts zu deuteln. In einer Welt, in der alles sonst fragwürdig, unsicher und dem Zweifel ausgeliefert war, stand seine Unschuld fest. Zum ersten Mal, seit er erwachsen war, wußte Wilt, daß er absolut im Recht war, und das verlieh ihm eine Kraft, die er an sich selber nie vermutet hätte. Und außerdem war er sich vollkommen sicher, daß Eva schließlich wieder auftauchen würde, gesund und munter, und mehr als nur ein bißchen zum Einlenken bereit, wenn sie mitkriegte, was sie in ihrem Ungestüm angerichtet hatte. Das hatte sie nun davon, daß sie ihm diese widerliche Puppe dagelassen hatte. Das würde sie bis ans Ende ihrer Tage reuen. Ja wirklich, wenn jemand bei dieser Geschichte schlecht davonkam, dann war's die gute alte Eva mit ihrer Herrschsucht und ihrem Tatendrang. Es würde sie eine ganze Menge Schweiß kosten, Mavis Mottram und den Nachbarn alles zu erklären. Bei dem Gedanken mußte Wilt unwillkürlich lächeln. Und auch die Schule hätte ihn von nun an anders und mit mehr Respekt zu behandeln. Wilt kannte deren geräumiges Gewissen zu gut, als daß er nicht annehmen durfte, mindestens als Märtyrer zu erscheinen, wenn er wieder hinging. Und als Held. Sie würden sich die Beine ausreißen, um sich selber davon zu überzeugen, daß sie ihn immer für so unschuldig wie ein Neugeborenes gehalten hätten. Er würde natürlich auch befördert werden, nicht, weil er ein guter Lehrer war, sondern weil sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen mußten. Das gemästete Kalb würden sie ihm schlachten.

- 14 -
    In der Berufsschule war keine Rede davon, ein gemästetes Kalb zu schlachten, wenigstens nicht für Henry Wilt. Der für Freitag ins Haus stehende Besuch des RNWE, der allem Anschein nach mit der Auferstehung von Mrs. Wilt selig zusammenfallen würde, rief eine Hektik hervor, die an Panik grenzte. Der Schulausschuß tagte beinahe ununterbrochen, und die Eingaben machten dermaßen wild die Runde, daß es unmöglich war, eine zu lesen, bevor schon wieder die nächste da war.
    »Können wir den Besuch nicht verschieben?« fragte Dr. Cox. »Ich kann ja wohl nicht mit ihnen in meinem Büro sitzen und über Bibliographien diskutieren, während Mrs. Wilt vor dem Fenster stückchenweise ausgegraben wird.«
    »Ich habe die Polizei gebeten, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten«, sagte Dr. Mayfield.
    »Mit auffallend wenig

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