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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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wie eine Rüstung, die sie niemals wieder würde ablegen können.
    »Diese Busfahrten können einem ganz schön auf die Nerven gehen. Ich bin früher oft von Brisbane zu meinen Eltern gefahren. Fünfzehn Stunden!« Er hatte schöne Zähne und am Kinn ein Grübchen. Das hatte Dave auch gehabt.
    Sie wollte mitlachen, er gab sich doch Mühe, aber ihr Gesicht fühlte sich so kalt und steinern an. Einen Moment lang sah er sie an, als überlegte er gerade, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Dann sagte er nur: »Du bist sicher müde.«
    »Ich kann im Bus nicht gut schlafen.«
    Er lachte. »Ich schlaf nirgendwo besser als im Bus. Außer vielleicht noch im Flieger.«
    Sie war ihm zum Auto gefolgt, einem weißen Ford. Er legte die Reisetasche behutsam in den Kofferraum und hielt ihr die Beifahrertür auf. »Die Wohnung ist nicht weit weg. Ein ruhiger Vorort. Einkäufe hab ich hinten drin. Falls du noch was brauchst, sag mir Bescheid.« Er lächelte freundlich. Und seine Stimme war auch freundlich. Sie könnte sich ein bisschen entspannen.
    »Gibt’s Fernsehen?«, fragte sie beim Einsteigen.
    »Klar!«, lachte er und warf die Autotür zu. »Und auch ’ne Menge DVDs«, fügte er hinzu, als er einstieg und den Motor anließ.
    »Und wie lang muss ich dableiben?«, fragte sie.
    »Sara, das weißt du doch.« Seine Stimme klang weich, nicht tadelnd, eher ein bisschen mitfühlend. Sie beobachtete ihn, während er aus der Parklücke steuerte und sich in den Verkehr einreihte.
    Ja, natürlich wusste sie das. Vor drei Jahren hatte es zwei Monate gedauert. Zwei Monate in einer fremden Wohnung in einer fremden Gegend. Ohne Freunde. Aber wenigstens mit ihrer Mom. Sie hatte sogar ihren Geburtstag dort gefeiert. Mit ihrer Mom, Dave und Nate. Damals hatte sie gedacht, es sei ihr traurigster Geburtstag. Aber inzwischen wusste sie, dass ihr nächster noch viel trauriger würde. Und für einen Moment war ihr, als blicke sie in ihre eigene Zukunft. Und dort sah sie sich selbst, wie sie allein in einer einsamen, fremden Wohnung saß, einen Fertigkuchen mit einer Kerze vor sich.
    »Gibt’s immer noch keine Spur von ihm?«, drängte die Frage aus ihr heraus.
    Tim schüttelte den Kopf. »Nein…«
    In ihrer Nase und ihren Augen zog sich etwas zusammen, sie schniefte unwillkürlich, Tim sah zu ihr herüber. Sara schluckte tapfer die aufsteigenden Tränen hinunter und wandte sich ab.
    Schweigend sah sie aus dem Fenster, blickte in Autos und in Schaufenster. Als sie sich weiter aus dem Zentrum entfernten, reihten sich Einfamilienhäuser mit Gärten aneinander, in denen Blumen blühten, Kinder spielten, Hunde lagen. Sie dachte an das Haus ihrer Eltern in Brisbane. Auch sie hatten einen Garten gehabt. Einen vor und einen hinter dem Haus. In dem vorderen pinkelten oft die Hunde und im hinteren stand der Grill, auf dem ihr Dad an den Wochenenden Steaks und Würstchen briet. Einen Augenblick lang war dieses Bild in ihrem Kopf, dann erlosch es und ein anderes blendete auf. Ihre Mom, die in der offenen Haustür stand und sorgenvoll die Straße hinaufblickte, und sie, Sara, die im Auto an ihr vorbeifuhr…
    »Hast du Hunger?« Tims Stimme ließ sie zusammenfahren. Er zeigte auf ein Schild am Straßenrand, das in einem Kilometer einen McDonald’s ankündigte. Früher hätte sie jeden Tag vier Hamburger essen können und Pommes dazu. Aber jetzt bekam sie meistens nur noch einen halben hinunter. Stephen hatte immer wissen wollen, was ihr Lieblingsessen war. Und er hatte nicht verstanden, dass sie nichts mehr mochte. »Du musst doch auf irgendwas Lust haben«, hatte er es versucht. »Vielleicht ist es das Fleisch, das du nicht magst. Vielleicht bist du eine geborene Vegetarierin, Sara! Ich kann uns Pizza holen. Eine mit viel Tomaten und Käse und«… Er hatte sich so viel Mühe gegeben. Und sie? Sie hatte ihm diesen Abschiedsbrief hingelegt. Selbst das Wort Brief war übertrieben, es waren ja nur ein paar Zeilen gewesen. Und selbst da hab ich ihm nicht die Wahrheit sagen können, dachte sie verbittert. Energisch schob sie diese Gedanken von sich. Sie musste sich auf das konzentrieren, was nun vor ihr lag.
    »Bleibst du eigentlich in der Wohnung bei mir?«, fragte sie.
    »Nein.« In seinem Lächeln lag ein wenig Mitleid, das bemerkte sie sofort.
    »Ich weiß, es ist sicher nicht gerade lustig, so allein, aber es dauert sicher nicht lange. Sie werden ihn bald gefunden haben, Sara, da bin ich mir sicher. Du rufst mich an, wenn irgendwas ist, und ich rufe dich

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