Puppenrache
nichts gesagt?« Stephen schüttelte den Kopf. »Und dann diese psychiatrische Klinik. Davon hat sie auch nie was gesagt.«
Er begann wieder, im Zimmer auf und ab zu laufen. Van und Dean beobachteten ihn mit betroffenen Mienen, bis er vor ihnen stehen blieb.
»Ich könnte zur Polizei gehen.«
Dean grunzte missbilligend. »Hast du sie nicht mehr alle? Nachher hängen sie dir noch was an, weil du mit ihr zusammen warst.«
Stephen sah ihn verständnislos an.
»Na, du hast doch gerade was von dieser Klapse gesagt. Vielleicht hat sie… hat sie ihre Geschwister oder ihre Eltern umgebracht oder…«
»Sag mal, hast du sie noch alle?«, brauste Stephen auf und wollte sich auf Dean stürzen, doch Van sprang auf und hielt ihn an der Schulter zurück. »Setz dich«, sagte er, »Dean sagt doch nur, was alles vielleicht möglich wäre, stimmt’s, Dean?«
Dean nickte.
»Also«, sagte Van und beugte sich ein wenig vor. »Nur mal angenommen – dieser Typ da war ihr Partner und will ’ne neue Sache mit ihr durchziehen, sie will es aber nicht und haut ab.«
Stephen schluckte. Die Vorstellung, dass Sara eine Kriminelle sein sollte, war seiner Meinung nach vollkommen absurd. Auf so eine bescheuerte Idee konnten echt nur Dean und Van kommen. Allerdings… war sie nicht oft mitten in einem Gespräch verstummt? Und: Sie hatte so gut wie nichts von ihren Eltern oder ihrer Vergangenheit erzählt und oft genug hat sie bei dem Thema einfach abgelenkt, hatte gesagt, sie sei müde oder müsse jetzt was essen – wo sie doch so selten aß – oder es gäbe einen Film. Dann hatte sie aber gar nicht richtig hingesehen, sondern gedankenverloren aus dem Fenster oder an die Wand gestarrt…
»Also«, Dean räusperte sich, »ich würde erst mal nicht zu den Bullen gehen.«
»Ich auch nicht«, stimmte Van zu. »Außerdem – vielleicht will sie ja auch gar nicht gefunden werden.«
Stephen sah die beiden an. Dean zuckte die Schultern. »Betrügerin? Weißt du, ob was bei ihrem Job vorgefallen ist? Sie sitzt doch an der Kasse, oder?«
»Ja…« Er hatte bei Supercash angerufen und dort erfahren, dass sie gestern nicht zur Arbeit gekommen war. Mehr hatte Lisa ihm aber auch nicht sagen können. »Ich hätte die Sache mit dem Typen nicht so einfach abtun sollen.« Er machte sich Vorwürfe. Aber sie war immer so verschlossen gewesen… Und irgendwann hatte er sich eben damit abgefunden und keine Fragen mehr gestellt.
Van machte sich am Etikett der Bierflasche zu schaffen.
»Ich weiß, wie die Bullen ticken. Meine Schwester hat mal ’ne Brieftasche gefunden und sie zur Polizei gebracht. Schön blöd, was? Aber sie war so drauf. Nächstenliebe und Wahrheit und so ’ne Scheiße. Und statt dass die Bullen ihr ’nen Orden verleihen – verhören sie sie. Woher sie die Brieftasche hat. Und wieso sie überhaupt zu dieser Uhrzeit dort an diesem Ort war und warum sie nicht das Geld genommen hat. Oder hat sie nicht alles abgeliefert und so weiter. Mann, das Problem war, der Typ ist nämlich kurz darauf in ’nem Hinterhof gefunden worden. Tot. Und jetzt war sie auch noch ’ne Verdächtige. Nie wieder bringt sie irgendwas zu den Bullen.«
Stephen griff nach dem Telefon.
Van legte die Hand auf seinen Arm. »Dean hat recht. Halt dich da raus. Ich spür so ein Jucken, das sagt mir, du ersparst dir ’ne Menge Ärger, wenn du anfängst, dich um dein Leben zu kümmern. Morgen gibt’s ’ne Party bei Will. Da sind ’n Haufen heißer Bräute da, ist bestimmt eine für dich…«
Stephen schüttelte Vans Hand ab. »Ich ruf diese angebliche Tante an«, erklärte Stephen. »Gleich morgen.«
»Du bist ein echter Sturkopf!«, brummte Dean.
10
Sara wachte auf, halb sieben, sah sie auf ihrer Uhr. Der Bus fuhr durch graues Morgenlicht. Ein paarmal war sie in der Nacht aufgeschreckt, ohne zu wissen, wo sie war. Sie hatte sich schließlich doch neben Gwen gesetzt. Es war ganz seltsam gewesen. Ein Teil von ihr hatte Nein geschrien und wollte sich wieder an den alten Platz verkriechen. Doch ein anderer Teil in ihr hatte gesiegt. Der Teil, der sich nach Freundschaft und menschlicher Wärme sehnte.
Gwen hatte auch keine Fragen gestellt, sondern von sich erzählt. Und Sara hatte sich für Momente vorgestellt, Gwen zu sein – und wie es wäre, ihr Leben zu führen. Sie war auf dem Weg zu ihren Eltern, die eine Farm hinter Melbourne besaßen. Rinder und Schafe, und ein paar Pferde hatten sie auch. Und Hühner. »Aber glaub mir, nach ein paar Tagen dort
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