Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
Square eingetroffen war, rieb sich vor Staunen die Augen. Pryde hatte sich voll in Schale geworfen und trug einen nagelneuen Anzug, ein frisch gebügeltes Hemd und eine teure Krawatte. Seine schwarzen Halbschuhe waren spiegelblank, und falls Rebus sich nicht täuschte, war Pryde sogar beim Friseur gewesen. Nicht dass es da viel zu schneiden gab, aber er hatte versucht, das Beste daraus zu machen. Pryde war für die Einteilung der Zivilbeamten zuständig, die im Umkreis von Philippa Balfours Wohnung die Tür-zu-Tür-Befragungen durchzuführen hatten. Etliche der Nachbarn wurden inzwischen bereits zum zweiten oder dritten Mal vernommen. Das Gleiche galt für die Freunde der Vermissten, ihre Kommilitonen und diverse Uni-Mitarbeiter. Außerdem wurden sämtliche Flug- und Schifffahrtslinien überprüft. Ferner hatte man das offizielle Suchfoto noch an diverse Bahnbetreiber, Busunternehmen und Polizeieinrichtungen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches gefaxt. Ein Team war ausschließlich damit befasst, möglichst vollständige Informationen über alle in den vergangenen Tagen in Schottland aufgefundenen Leichen zusammenzutragen, während ein anderes sich in sämtlichen Krankenhäusern nach den Neuzugängen erkundigte. Und dann waren da natürlich noch die Taxibetreiber und Autoverleihe der Stadt... Das alles kostete Zeit und Mühe und betraf zudem nur die offizielle Seite der Ermittlungen, während hinter den Kulissen die unmittelbaren Angehörigen und Freunde der Vermissten vernommen wurden. Rebus glaubte allerdings nicht daran, dass von diesen Hintergrundrecherchen zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas zu erwarten war.
Nachdem Pryde seine Beamten schließlich eingeteilt und losgeschickt hatte, sah er Rebus, zwinkerte ihm fröhlich zu und kam ihm lächelnd entgegen.
»Vorsicht, Vorsicht«, sagte Rebus. »Macht korrumpiert und so weiter.«
»Ich hoffe, du verzeihst mir noch mal«, sagte Pryde und senkte die Stimme, »aber der Job turnt mich voll an.«
»Tja, weil du genau der richtige Mann dafür bist, Bill. Nur dass sie das in der Zentrale erst nach zwanzig Jahren gerafft haben.«
Pryde nickte. »Es gibt Gerüchte, dass sie dir den Job früher auch schon mal angeboten haben - dass du aber nicht wolltest.«
Rebus schnaubte. »Gerüchte, Bill, rumours. Wie das gleich lautende Fleetwood-Mac-Album - am besten im Schrank lassen und nicht abspielen.«
Die übrigen Polizisten im Raum bewegten sich, als wären sie Teil einer Choreografie, jeder arbeitete jetzt an der ihm zugeteilten Aufgabe. Einige zogen sich den Mantel an und schoben ihren Schlüsselbund und ihr Notizbuch in die Tasche. Andere rollten die Ärmel auf, während sie sich vor ihrem Computer oder Telefon in Stellung brachten. Sogar für ein paar neue Stühle hatte das Budget noch gereicht: hellblaue Drehstühle. Wem es gelungen war, einen davon zu ergattern, der verteidigte das Beutestück mit Zähnen und Klauen und bewegte sich lieber auf Rollen fort anstatt aufzustehen, damit kein anderer Gelegenheit bekam, sich eine der kostbaren Sitzgelegenheiten anzueignen.
»Leider mussten wir den Einsatzwagen abziehen, den wir vor der Wohnung des Freundes postiert hatten«, sagte Pryde. »Anweisung von oben.«
»Hab schon gehört.«
»Auf Druck der Familie«, erklärte Pryde.
»Dem Budget schadet es nicht«, sagte Rebus und richtete sich auf. »Gibt es heute was für mich zu tun, Bill?«
Pryde blätterte in den Papieren auf seinem Klemmbrett. »Wir haben bislang siebenunddreißig Anrufe erhalten«, sagte er dann.
Rebus hob abwehrend die Hände. »Bitte nicht. Die Durchgeknallten überlasse ich gerne dem Nachwuchs.«
Pryde lächelte. »Hab schon entsprechende Anweisungen erteilt.« Er wies mit dem Kopf auf zwei junge Beamte, die erst seit kurzem nicht mehr Streife liefen und ihn griesgrämig ansahen. Die Beantwortung solcher Anrufe galt als eine der undankbarsten Aufgaben überhaupt. Jeder spektakuläre Fall rief irgendwelche Leute auf den Plan, die sich entweder selbst anschwärzten oder aber die Polizei auf die falsche Spur führten. Manche Menschen sehnten sich so sehr nach ein wenig Aufmerksamkeit, dass sie sich selbst der schlimmsten Verbrechen bezichtigten. Rebus kannte in Edinburgh mehrere solcher Kandidaten.
»Craw Shand?«, riet er.
Pryde wies mit dem Finger auf eines der Blätter. »Bisher dreimal - ist sogar bereit, sich als Mörder zu bekennen.«
»Dann musst du ihn vorladen«, sagte Rebus. »Ist die einzige Möglichkeit, ihn
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