Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
etwas über seine Zeit in Afrika.«
»Über seine Edinburgher Jahre allerdings auch nicht, wie mir scheint.«
»Er liegt hier begraben. Doch dürfte sein Grab für Sie wohl nicht sonderlich von Interesse sein...?«
»Wo befindet es sich?«
»Auf dem Calton-Friedhof. Er liegt nicht weit von David Hume entfernt.«
»Möglich, dass ich dort mal vorbeischaue.«
»Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht mehr zu bieten habe.« Dann fiel ihm etwas ein, und er strahlte über das ganze Gesicht. »Donald Devlin soll einen Tisch besitzen, den Lovell gemacht hat.«
»Ja, ich weiß: Obwohl von einer Vorliebe für die Tischlerei in der Literatur nirgends die Rede ist.«
»Ich bin sicher, dass das irgendwo erwähnt ist. Ich glaube sogar, ich habe da mal was gelesen...« Aber so sehr er sich auch bemühte, Major Cawdor konnte sich nicht erinnern, was oder wo das genau gewesen war. Abends saß sie dann mit John Rebus in ihrem Haus in Portobello. Sie hatten sich in einem Chinarestaurant etwas zu essen mitgenommen, und Jean trank dazu kalten Chardonnay und Rebus Flaschenbier. Die Stereoanlage lief: Nick Drake, Janis lan, Meddle von Pink Floyd. Er war in Gedanken versunken, doch sie konnte ihm daraus kaum einen Vorwurf machen. Nach dem Essen machten sie einen Spaziergang auf der Promenade. Halbwüchsige mit ihren Skateboards, das Outfit ganz amerikanisch, doch mit unverkennbarem Porty-Akzent und einem Wortschatz, der einem die Tränen in die Augen treiben konnte. Der einzige geöffnete Frittenladen verströmte jenen Fett-Essig-Geruch, der beiden schon seit Kindertagen vertraut war. Sie gingen schweigend nebeneinander her, genau wie die meisten anderen Paare, denen sie begegneten. Schweigen hatte in Edinburgh eine lange Tradition. Man behielt seine Gefühle und Angelegenheiten für sich. Manche Leute führten das auf jene Spielart des Protestantismus zurück, den zum Beispiel der Reformator John Knox verkörperte. Jean hatte schon gelegentlich gehört, wie Auswärtige die Stadt als »Fort Knox« bezeichneten. Sie selbst führte die Edinburgher Mentalität allerdings auf die Geografie zurück, auf die finster dräuenden Felsen und die dunklen Wolken und den von der Nordsee her durch die schluchtartigen Straßen fegenden Wind. Fast an jeder Biegung fühlte man sich von der großartigen Umgebung überwältigt, beinahe erschlagen. Sie brauchte bloß von Porto-bello aus in die Stadt fahren, und schon fühlte sie das Verletzende und das Verletzte dieses Ortes.
Auch John Rebus dachte gerade an Edinburgh. Falls er seine Wohnung aufgab, wohin sollte er dann ziehen? Kannte er überhaupt einen Bezirk, dem er vor den übrigen den Vorzug gab? Portobello war okay, ziemlich entspannte Veranstaltung. Oder sollte er sich irgendwo im Süden oder Westen der Stadt auf dem Land niederlassen? Einige seiner Kollegen fuhren jeden Tag den weiten Weg von Falkirk und Linlithgow nach Edinburgh zur Arbeit. Ein solches Pendlerdasein lockte ihn eigentlich nicht. Aber Portobello, das wäre schon in Ordnung. Das einzige Problem: Als sie so auf der Promenade dahinspazierten, wanderte sein Blick immer wieder zum Strand hinunter, als ob er dort einen kleinen Holzsarg zu sehen erwartete, so wie jenes Kistchen, das in Nairn angespült worden war. Es war egal, wo er sich niederließ, von seinen Obsessionen würde er ohnehin nicht loskommen, und zwar nirgends. Im Augenblick musste er zum Beispiel pausenlos an diesen Sarg aus Falls denken. Dass die Kiste ihr Dasein nicht demselben Menschen verdankte wie die übrigen vier Särge, dafür hatte Rebus nur das Wort des Sargschreiners. Aber wenn der Mörder wirklich schlau war, hatte er genau das bedacht und seine Arbeitsmethoden und Werkzeuge absichtlich gewechselt, um die Polizei...
Oh verdammt, schon wieder die alte Leier, schon wieder die alte Endlosnummer in seinem Schädel. Er setzte sich auf die niedrige Mauer, die die Promenade vom Strand trennte, und Jean erkundigte sich, ob ihm etwas fehle.
»Nur ein bisschen Kopfweh«, sagte er.
»Ist das nicht ein weibliches Vorrecht?« Sie lächelte, doch er spürte, dass sie sich unbehaglich fühlte.
»Ich fahre jetzt lieber nach Hause«, sagte er. »Ich bin heute Abend keine gute Gesellschaft.«
»Möchtest du darüber reden?« Er sah sie von der Seite an, bis er ihrem Blick begegnete. Plötzlich fing sie an zu lachen. »Entschuldigung, was für eine Frage. Du bist ein schottischer Mann, und natürlich willst du nicht darüber reden.«
»Das ist es nicht, Jean. Es ist
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