Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
Riesenkaugummi hinein und kramte sofort zwei neue Stangen aus der Packung.
»Die zwei haben was ausgekungelt«, sagte er schließlich, während er sich im Spiegel bewunderte.
»Das stimmt«, pflichtete Gill ihm bei. »Wir hätten ihn gleich aufs Revier bringen sollen.«
»Wieder so ein Carswell-Schwachsinn«, sagte Pryde.
Gill nickte. »Glauben Sie, dass er Balfour reinen Wein eingeschenkt hat?«
»Ich vermute, dass er sich was zurechtgelegt hat. Der Mann hat doch die ganze letzte Nacht Zeit gehabt, sich was auszudenken: ›John, es ist einfach passiert, aber es ist schon so lange her, und außerdem war es nur das eine Mal... Es tut mir aufrichtig Leid. Kommt doch in jeder Ehe vor.«‹
Über Gills Gesicht huschte ein Lächeln. Pryde schien aus Erfahrung zu sprechen.
»Trotzdem hat Balfour ihn nicht an den Eiern aufgehängt, um es mal mit Ihren Worten zu sagen.«
Pryde schüttelte nachdenklich den Kopf. »Je mehr ich über John Balfour erfahre, desto weniger mag ich den Mann. Seine Bank geht den Bach runter, und der Mann bewirtet eine Stunde nach der Beerdigung seiner Tochter in seinem Privathaus sämtliche Großkunden. Und dann kommt sein bester Freund daher und teilt ihm mit, dass er es mit seiner Tochter getrieben hat, und was macht dieser Balfour? Er heckt mit dem Typen einen Deal aus.«
»Sie meinen, die beiden haben vereinbart, die ganze Affäre unter den Teppich zu kehren?«
Jetzt war Pryde mit dem Nicken an der Reihe. »Was bleibt
denen denn anderes übrig? Stellen Sie sich mal den Skandal vor. Und die Folge: Rücktritte, öffentliche Vorwürfe und der Zusammenbruch des Geldhauses. Für diese Leute zählt doch nur eins: Kohle, Kohle und nochmals Kohle.«
»Dann glauben Sie also, dass wir bei Marr auf Granit beißen?«
Pryde sah sie an. »Es sei denn, wir klopfen ihm tüchtig auf die Finger.«
»Ich weiß nicht, ob Mr. Carswell davon begeistert wäre.«
»Bei allem Respekt, Hauptkommissarin Templer: Carswell würde doch nicht mal seinen eigenen Arsch finden. Es sei denn, jemand hält ihm ein Schild unter die Nase, auf dem schwarz auf weiß vermerkt ist: ›Bitte hier hineinkriechen.««
»Eine solche Ausdrucksweise kann ich nicht gutheißen« sagte Gill und bemühte sich, ernst zu bleiben. Wieder wollte jemand von außen die Tür aufdrücken. Gill rief, dass sie nicht gestört werden wollte.
»Aber ich muss mal ganz dringend!«, rief eine Frauenstimme.
»Ich auch«, sagte Bill Pryde und zwinkerte Gill zu. »Aber ich sollte mein Glück lieber auf der Herrentoilette versuchen, auch wenn es dort lange nicht so schön ist.« Als Gill nickte und die Tür langsam öffnete, ließ er den Blick noch einmal sehnsüchtig durch den Raum schweifen. »Obwohl ich die Herrlichkeit hier gewiss nie vergessen werde, das können Sie mir glauben. Selbst als Mann könnte man sich an diesen Luxus gewöhnen...«
Im Vernehmungszimmer blickte ihnen Ranald Marr mit der Selbstgefälligkeit eines Mannes entgegen, der genau weiß, dass er schon bald wieder hinter dem Lenkrad seines Maserati sitzen wird. Gill fand diese Blasiertheit ziemlich deplatziert. Also beschloss sie, ihre letzte Karte auszuspielen.
»Ihre Affäre mit Flip ging eine ganze Weile, oder?«
»Ach Gott, fangen Sie schon wieder damit an«, sagte Marr und verdrehte die Augen.
»Und so geheim war sie auch nicht. Philippa hat ihrer Freundin Claire Benzie alles genau erzählt.«
»Ach, dann steckt also Claire Benzie dahinter? Jetzt wird mir einiges klar. Diese junge Dame würde doch alles tun, um die Bank zu schädigen.«
Gill schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht, sonst hätte sie dieses Wissen ja schon viel früher gegen Sie verwenden können: Ein Anruf bei John Balfour, und alles wäre aufgeflogen. Aber das Mädchen hat nichts dergleichen getan, Mr. Marr. Woraus ich schließe, dass Claire durchaus ein paar Grundsätze hat.«
»Oder sie hat bloß auf den richtigen Augenblick gewartet.«
»Möglich.«
»Das heißt also: Claires Wort gegen meines?«
»Es kommt noch hinzu, dass Sie es ziemlich eilig hatten, Flip zu erklären, wie man eine E-Mail definitiv löscht.«
»Das habe ich Ihren Leuten doch auch schon erklärt.«
»Richtig. Nur dass uns zu dem Zeitpunkt der Grund Ihres Verhaltens noch nicht bekannt war.«
Marr versuchte Gill durch einen herablassenden Blick zu verunsichern, was gründlich schief ging. Natürlich konnte er nicht wissen, dass Gill im Laufe ihrer Karriere als Polizeibeamtin schon über ein Dutzend Mörder verhört hatte. Es
Weitere Kostenlose Bücher