Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
sich jedoch auf die Aussage, dass er später noch mal anrufen werde, und hängte ein. Devlin hatte Jean von Kennet Lovell erzählt und ihr auch seine Vermutung erläutert, dass Lovell die Särge auf dem Arthur's Seat deponiert hatte. Offenbar ging sie dieser Spur nach. Trotzdem wunderte er sich, wieso sie das nicht erwähnt hatte.
Er starrte auf den Schreibtisch gegenüber, an dem noch vor wenigen Tagen Ellen Wylie gesessen hatte. Die Aktenstapel, durch die sie sich hindurchgearbeitet hatte, waren noch nicht weggeräumt. Rebus kniff die Augen zusammen und stand von seinem Stuhl auf. Dann ging er um beide Schreibtische herum und machte sich daran, einen der Stapel abzutragen.
Ganz unten entdeckte er zwei Obduktionsberichte, die damals von den zuständigen Pathologen über Hazel Gibbs und Paul Gearing verfasst worden waren. Hätte er eigentlich längst zurückschicken sollen. Professor Devlin hatte nämlich während des Treffens im Hinterzimmer des Ox eigens darauf hingewiesen, dass er sich gegenüber den Absendern zur Rückgabe verpflichtet hatte. War ja auch in Ordnung so. Hier in der St. Leonard's Street hatte doch sowieso niemand was von den Unterlagen, es bestand sogar die Gefahr, dass sie unter dem Papierberg, den der Mordfall Philippa Balfour hervorgebracht hatte, endgültig verschütt gingen.
Rebus legte sie auf seinen eigenen Schreibtisch und verfrachtete alle sonstigen Papiere von dort auf den Nachbarschreibtisch. Bis auf den Sarg aus Falls, den er in einer Haddow's-Tragetasche verstaut hatte, befanden sich die Kisten nun wieder in seiner Schreibtischschublade. Dann ging er zum Fotokopierer und besorgte sich dort ein DIN-A4-Blatt, weil wieder mal auf dem ganzen Revier nirgends sonst Papier aufzutreiben war. Er nahm einen Stift und schrieb: KÖNNTE BITTE JEMAND DIESE AKTEN MÖGLICHST BIS FREITAG AN DIE ANGEGEBENEN ADRESSEN SENDEN? DANKE, J. R.
Als er sich so im Raum umblickte, fiel ihm plötzlich auf, dass Siobhan nirgends zu sehen war, dabei war sie doch vor ihm auf den Parkplatz eingebogen.
»Hat gesagt, dass sie zum Gayfield Square rüberfährt«, sagte ein Kollege.
»Wann?«
»Vor fünf Minuten.«
Also während er mit diesem Museumsheini am Telefon gequatscht hatte.
»Danke«, sagte er und rannte nach draußen zu seinem Wagen.
Da Gayfield Square auf einem Schleichweg nicht zu erreichen war, genehmigte sich Rebus auf der Fahrt dorthin an etlichen Ampeln und Kreuzungen gewisse Freiheiten. Auf dem dortigen Parkplatz konnte er Siobhans Wagen allerdings auch nirgends entdecken. Aber als er dann in die Station hineinplatzte, stand sie direkt vor ihm und unterhielt sich gerade mit Grant Hood, der offenbar schon wieder einen neuen Anzug trug und verdächtig sonnengebräunt aussah.
»Na, in der Sonne gewesen, Grant?«, sagte Rebus. »Dabei hab ich gedacht, Ihr Büro in der Zentrale sei fensterlos.«
Grant strich sich verlegen mit der Hand über die Wange.
»Kann schon sein, dass ich ein paar Strahlen abbekommen habe.« Dann tat er so, als ob er auf der anderen Seite des Raumes jemanden suchte. »Entschuldigung, ich muss leider...« Und weg war er.
»Macht mir allmählich Sorgen, unser Grant«, sagte Rebus.
»Was meinen Sie: aus der Tube oder Sonnenstudio?«
Rebus schüttelte unschlüssig den Kopf. Als Grant bemerkte, dass die beiden ihn beobachteten, fing er sofort eine Unterhaltung an und tat so, als ob er endlich die Leute gefunden hatte, nach denen er gesucht hatte. Rebus setzte sich auf einen Schreibtisch.
»Irgendwas Neues?«, fragte er.
»Ranald Marr ist wieder auf freiem Fuß. Hat lediglich gestanden, dass Flip mit dem Freimaurerrätsel zu ihm gekommen ist.«
»Und wie hat er begründet, dass er uns zunächst belogen hat...?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich war nicht dabei, also kann ich auch nichts dazu sagen.« Sie wirkte nervös.
»Wieso setzen Sie sich nicht?« Sie schüttelte den Kopf. »Sehr beschäftigt?«, fragte er.
»Ja, ziemlich.«
»Und womit?«
»Was?«
Er wiederholte die Frage, und sie sah ihn fragend an. »Verzeihen Sie«, sagte sie. »Aber dafür, dass Sie vom Dienst suspendiert sind, verbringen Sie verdammt viel Zeit im Büro.«
»Hab nur was vergessen.« Dabei fiel ihm ein, dass er wirklich was vergessen hatte: und zwar den Sarg aus Falls, der sich immer noch in der Tragetasche in der St. Leonard's Street befand. »Und Sie, Siobhan, haben Sie nicht was vergessen?«
»Zum Beispiel?«
»Den Kollegen mitzuteilen, was Sie rausgefunden haben.«
»Nein, glaube ich
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