Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
starrte auf das Blatt, blinzelte, starrte wieder auf das Blatt. »Tatsächlich. Aber Devlin war doch damals schon in Edinburgh.« Dann verstummte er. Stellvertretender Pathologe, hieß es dort. »Sie haben den Bericht doch schon mal durchgesehen, nicht wahr?«
»Das hat Devlin gemacht. Ich habe ihm doch bloß assistiert. Schon vergessen?«
Rebus massierte mit einer Hand die Verspannungen in seinem Nacken. »Kapier ich nicht«, sagte er. »Wieso sollte Devlin uns verschweigen...?« Er griff nach dem Telefon, drückte die 9 und dann eine Nummer im Ortsnetz. »Professor Gates, bitte. Es ist dringend. Hier spricht Inspektor Rebus.« Eine Pause, während die Sekretärin ihn durchstellte. »Sandy, ja, ich weiß, dass ich es jedes Mal sehr eilig habe, aber diesmal dürfte es der Wahrheit verdammt nahe kommen. Laut unserer Unterlagen müsste Donald Devlin im April zweiundachtzig in Glasgow bei einer Obduktion assistiert haben. Könnte das sein?« Er lauschte wieder. »Nein, Sandy, zweiundachtzig. Ja, im April.« Er nickte, sah Wylie an und wiederholte laut, was Gates ihm erzählte: »So, so... Personalengpass in Glasgow... zu wenig qualifizierte Mitarbeiter... Dann haben Sie also damals hier in Edinburgh erstmals als Chefpathologe gewirkt. Ah ja, Sandy... wollen Sie damit sagen, dass Devlin im April zweiundachtzig tatsächlich in Glasgow gewesen ist? Danke, ich melde mich später noch mal.« Er knallte den Hörer auf. »Tatsächlich, Donald Devlin ist damals in Glasgow gewesen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Wylie. »Und wieso hat er davon nichts gesagt?«
Rebus blätterte den Bericht aus Nairn durch. Nein, an der Autopsie dort war Donald Devlin nicht beteiligt gewesen. Trotzdem...
»Er wollte halt nicht, dass wir es erfahren«, gab er Wylie schließlich zur Antwort. »Kann sein, dass er deswegen auch das Deckblatt entfernt hat.«
»Aber wieso?«
Rebus dachte nach. Merkwürdig, dass Devlin damals im Ox extra noch mal ins hintere Zimmer gekommen war, um sicherzustellen, dass die Obduktionsberichte wirklich wieder den Weg zurück in ihre staubigen Aktenschränke fanden... Und der aus Balsaholz gefertigte Glasgower Sarg, der viel plumper gearbeitet war als die übrigen: fast als ob der Mensch, der ihn gebaut hatte, ohne die üblichen Materialien und Werkzeuge hatte auskommen müssen. Und dann noch Devlins gesteigertes Interesse an Dr. Kennet Lovell und den Särgen vom Arthur's Seat...
Jean!
»Ich hab ein ungutes Gefühl«, sagte Ellen Wylie.
»Ich habe schon immer viel auf weibliche Intuition gegeben.« Obwohl das genaue Gegenteil der Fall war: Alle Frauen hatten sich in Devlins Gegenwart unwohl gefühlt... »Nehmen wir Ihren oder meinen Wagen?«, fragte er. Jean erhob sich. Donald Devlin stand immer noch in der Tür, die blauen Augen so kalt wie die Nordsee, die Pupillen so klein wie schwarze Stecknadelköpfe.
»Ihre Werkzeuge, Professor Devlin, nehme ich an?«, sagte sie.
»Kennet Lovell gehören sie jedenfalls nicht, meine Liebe.«
Jean schluckte. »Ich glaube, ich sollte jetzt gehen.«
»Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen.«
»Und wieso nicht?«
»Weil ich glaube, dass Sie Bescheid wissen.«
»Worüber denn?« Sie blickte um sich, konnte aber nichts entdecken, was ihr weitergeholfen hätte...
»Darüber, dass ich die kleinen Särge an ihren späteren Fundorten deponiert habe«, sagte der alte Mann. »Das steht Ihnen doch ins Gesicht geschrieben. Mir können Sie nichts vormachen.«
»Zum ersten Mal passierte es kurz nach dem Tod Ihrer Frau, nicht wahr? Damals haben Sie das arme Mädchen in Dunfermline umgebracht.«
Er hob einen Finger. »Falsch: Ich habe nur etwas über ihr Verschwinden gelesen, und dann bin ich hingefahren und habe den Sarg dort zum Gedenken an das Mädchen deponiert, als Memento mori sozusagen... Dann waren da noch die anderen... Gott allein weiß, was diesen Frauen widerfahren ist.« Sie bemerkte, dass er einen Schritt weiter in den Raum hineintrat. »Wissen Sie, es hat eine Weile gedauert, bis meine Trauer in Wut umgeschlagen ist.« Auf seinen feuchten, bebenden Lippen erschien ein Lächeln. »Anne hat monatelang gelitten, bevor ihr das Leben... genommen... wurde. Das war so ungerecht: kein Motiv, niemand, den man dafür hätte haftbar machen können. Und all diese Leichen, die ich unter dem Messer gehabt hatte, und dann noch die, die nach Annes Tod hinzugekommen sind. Irgendwann wollte ich, dass auch sie zu leiden haben.« Er ließ die Hände sanft über die Tischkante
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