Puppenspiel - Inspektor Rebus 12
gleiten. »War ein großer Fehler, dass ich Kennet Lovell erwähnt habe. Eine gute Historikerin wie Sie, Miss Burchill, konnte es sich natürlich nicht entgehen lassen, meine Behauptungen zu überprüfen. Und natürlich mussten Sie dabei auf Parallelen zwischen Gegenwart und Vergangenheit stoßen. Und Sie waren die Einzige, der aufgefallen ist, dass es zwischen diesen Särgen eine Verbindung geben muss, obwohl sich das alles über so viele Jahre hingezogen hat.«
Während Devlin sprach, bemühte Jean sich unter Aufbietung all ihrer Energie, ruhig weiterzuatmen. Nun hatte sie das
Gefühl, dass sie es wagen konnte, die Tischkante loszulassen, an der sie sich bis dahin festgehalten hatte. »Ich verstehe Sie nicht«, sagte sie. »Sie haben sich doch an den Ermittlungen beteiligt...«
»Ganz und gar nicht, ich habe sie behindert, wo es nur ging. Wer hätte einer solchen Versuchung schon widerstehen können? Schließlich habe ich gegen mich selbst ermittelt und war Zeuge, wie andere das Gleiche getan haben...«
»Haben Sie Philippa Balfour umgebracht?«
Devlin machte ein angewidertes Gesicht. »Ach, das ist doch Unsinn.«
»Und der Sarg in Falls... haben Sie den dort deponiert?«
»Natürlich nicht«, fuhr er sie an.
»Das heißt, dass Sie zuletzt vor fünf Jahren...«, sie suchte nach den passenden Worten,»... aktiv geworden sind?«
Inzwischen war er einen Schritt näher gekommen. Ihr war, als ob sie Musik hörte, doch dann begriff sie, dass er es war, der vor sich hinsummte.
»Kennen Sie die Melodie?«, fragte er. In seinen Mundwinkeln stand weißer Schaum. »›Swing Low, Sweet Chariot‹, ein altes Kirchenlied. Der Organist hat es bei Annes Beerdigung gespielt.« Er ließ den Kopf ein wenig sinken und lächelte. »Vielleicht wird man dieses Lied schon bald auch für Sie spielen, Miss Burchill. Nur dass Sie selbst das nicht mehr erleben werden.«
Sie tauchte nach unten weg, schob eine Hand in das Geheimfach und versuchte einen der scharfen Holzbeitel an sich zu bringen. Doch Devlin hatte sie bereits an den Haaren und zog sie wieder hoch. Sie schrie, tastete verzweifelt nach den Werkzeugen. Dann hielt ihre Hand plötzlich einen kühlen Holzgriff umklammert. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Kopfhaut lichterloh brannte. Als sie zu Boden ging, rammte sie Devlin den Beitel unten ins Bein. Doch der zeigte keinerlei Reaktion. Wieder stach sie zu, doch der alte Mann schleppte sie völlig ungerührt weiter Richtung Tür. Sie schaffte es irgendwie, halb auf die Beine zu kommen und sich der Kraft zu überlassen, mit der er an ihr zog. Devlin verlor das Gleichgewicht: Sie krachten beide gegen den Türrahmen und torkelten in den Gang hinaus. Den Beitel hatte sie inzwischen verloren. Sie hockte auf allen vieren am Boden, als der erste Schlag sie traf. Vor ihren Augen erschienen weiß zuckende Blitze, und das Teppichmuster erinnerte an wild tanzende Fragezeichen.
Wie lachhaft, dass ausgerechnet mir so was passieren muss, dachte sie...
Sie wusste, sie musste unbedingt wieder auf die Beine kommen, sich zur Wehr setzen. Devlin war schließlich ein alter Mann... Wieder ein Schlag, der ihr fast das Bewusstsein raubte. Dann sah sie vielleicht drei Meter entfernt vor der Eingangstür den Holzbeitel. Devlin hatte sie an den Beinen gefasst, mühte sich, sie Richtung Wohnzimmer zu schleppen. Wie ein Schraubstock hielt er ihre Knöchel umklammert. Oh Gott, dachte sie. Oh Gott, oh Gott... Sie schlug verzweifelt mit den Armen um sich, suchte einen Halt oder irgendeinen Gegenstand, den sie als Waffe verwenden konnte... Wieder fing sie an zu kreischen. Das Blut dröhnte in ihren Ohren. Sie wusste nicht einmal genau, ob sie überhaupt einen Ton herausbrachte. Einer von Devlins Hosenträgern hatte sich selbstständig gemacht, sein Hemd hing aus der Hose.
Nein, nicht so... nicht auf diese Weise...
Das würde John mir nie verzeihen. In den beiden Außenbezirken Canonmills und Inverleith Patrouille zu fahren, war ein ziemlich angenehmer Job: keine heruntergekommenen Wohnanlagen, dafür umso mehr bürgerlicher Wohlstand. Die beiden Beamten im Streifenwagen machten regelmäßig einen Zwischenstopp am Eingang zum botanischen Garten, der hier an den Inverleith Park grenzte. Der Arboretum Place war eine breite verkehrsarme Straße: ideal für die Pause, die die Beamten in der Mitte ihrer Schicht
einlegten. Für die Thermoskanne Tee war Police Constable Anthony Thompson zuständig, während sein Kollege Kenny Milland die Schokoladenplätzchen
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