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Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Puppenspiel - Inspektor Rebus 12

Titel: Puppenspiel - Inspektor Rebus 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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der Beerdigung aufgekreuzt war, und wie John Balfour ihn umarmt hatte. Auch im West End war bereits bekannt, dass die Kollegen Marr zwar zum Verhör in die St. Leonard's Street gebracht, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt hatten.
    »Die Sache stinkt«, hatte Shug Davidson gesagt. »Da ist doch irgendein Drahtzieher hinter den Kulissen.«
    Nicht mal angesehen hatte er sie dabei, aber das war auch gar nicht nötig. Er wusste Bescheid, und sie wusste Bescheid. Hatte sie nicht selbst noch vor kurzem geglaubt, dass sie die Fäden in der Hand hielt, an dem Tag, als sie sich auf das Treffen mit Steve Holly eingelassen hatte? Doch dann hatte sich schnell gezeigt, dass Holly der Puppenspieler war und sie die Marionette. Carswells Appell an die Truppe war wie ein glühendes Messer in sie gefahren, hatte nicht nur ihre Haut angeritzt, sondern ihren ganzen Körper in einen einzigen Schmerz verwandelt. Als sie und ihre drei Kollegen zu Carswell ins Büro beordert worden waren, hatte sie schon gehofft, dass ihr Schweigen sie verraten würde. Doch dann war Rebus vorgetreten, hatte alles auf sich genommen und sie in einem grauenhaften Zustand zurückgelassen.
    Shug Davidson wusste das, und obwohl Shug ihr als Kollege und Kamerad durchaus gewogen war, war er eben auch mit Rebus befreundet. Die beiden kannten einander schon
    eine halbe Ewigkeit. Und jedes Mal, wenn Davidson jetzt eine Bemerkung machte, vermutete Wylie hinter seinen Worten irgendeine Doppeldeutigkeit. Sie konnte sich auf nichts mehr konzentrieren, und ihr Heimatrevier, das ihr noch vor kurzem wie eine Zuflucht vorgekommen war, erschien ihr plötzlich abweisend und fremd.
    Deshalb hatte sie den kleinen Ausflug in die St. Leonard's Street unternommen, dort in dem großen Arbeitsraum aber kaum eine Menschenseele angetroffen. An der Garderobe hing ein dunkler Anzug, woraus sie schloss, dass wenigstens einer der Kollegen die Beerdigung besucht und sich hinterher auf dem Revier wieder umgezogen hatte. Sie vermutete, dass es sich dabei um Rebus handelte, war sich allerdings nicht ganz sicher. An seinem Schreibtisch lehnte seitlich eine Plastiktüte, in der sich einer der Särge befand. Mein Gott, war das eine Arbeit gewesen, und dann alles für die Katz. Auf dem Schreibtisch die ordentlich gestapelten Autopsieberichte und obenauf Rebus' schriftliche Bitte, die Befunde an die Absender zurückzuschicken. Wylie legte das Blatt beiseite und setzte sich in Rebus' Stuhl. Fast mechanisch öffnete sie den Bindfaden, mit dem die Akten zusammengeschnürt waren. Dann öffnete sie die erste Mappe und fing an zu lesen.
    Eigentlich hatte sie das Material ja schon einmal durchgeackert. Nur dass bei der ersten Durchsicht vor allem Professor Devlin die Berichte studiert und ihr lediglich berichtet hatte, was ihm besonders aufgefallen war. Eine ziemliche Quälerei war das gewesen, aber auch nicht uninteressant. Wenigstens hatte zu dem Zeitpunkt noch die Aussicht bestanden, dass zwischen all den getippten Seiten ein Verbrechen verborgen war. Irgendwie hatte es sogar Spaß gemacht: Das Gefühl, in einer Grauzone tätig zu sein, irgendwo im Grenzbereich zwischen reiner Spekulation und polizeilicher Ermittlungsarbeit. Und Rebus, der von allen Furien gehetzt schien, hatte nachdenklich auf seinem Stift herumgekaut, die Stirn in Falten gelegt, seine müden Glieder gestreckt oder den Kopf kreisen lassen. Ihm eilte der Ruf eines einsamen Wolfes voraus, trotzdem hatte er bereitwillig Aufgaben an sie delegiert und sie ständig über alles auf dem Laufenden gehalten. Sie hatte ihm vorgehalten, dass er sie bloß aus Mitleid mit ins Boot genommen habe, obwohl sie das selbst nicht geglaubt hatte. Gut, er hatte nun mal diesen Märtyrerkomplex... aber solange er selbst damit zurechtkam und auch sonst niemand darunter zu leiden hatte...
    Als sie jetzt die Seiten überflog, wurde ihr endlich bewusst, was sie eigentlich in die St. Leonard's Street geführt hatte: Sie wollte sich bei ihm entschuldigen... Und dann blickte sie auf, und er stand keine vier Meter von ihr entfernt und beobachtete sie.
    »Wie lange beobachten Sie mich schon?«, fragte sie und ließ einen Stapel Blätter auf den Schreibtisch fallen.
    »Was machen Sie denn hier?«
    »Nichts.« Sie nahm die Blätter wieder in die Hand. »Ich wollte bloß... Keine Ahnung. Ach ja: Ich wollte die Akten noch mal durchsehen, bevor sie endgültig wieder in der Versenkung verschwinden. Wie war die Beerdigung?«
    »Eine Beerdigung ist eine Beerdigung, ganz

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