Puppenspiele
miteinander im Bett gewesen waren.
Howela kam sofort zur Sache, als sie ihm Kaffee eingeschenkt hatte: »Den Bericht aus Genf haben Sie erhalten?«
Clarissa bejahte und löffelte ihren Krabbensalat aus.
»Gestern habe ich mich in Frankfurt um eine Besuchserlaubnis für den dort einsitzenden Rafael Jürgens bemüht. Erfolgreich natürlich. Das ist allerdings leider auch der einzige Erfolg in Frankfurt, den ich zu verbuchen habe. In zwei Stunden geht übrigens meine Maschine nach London, wo ich Anthony Parkinson besuchen werde. Doch zuerst zu Frankfurt und Rafael Jürgens. Eine unerfreuliche Visite.« Howela war sauer, denn Jürgens hatte sich als uneinnehmbare Festung erwiesen. Er blieb vollkommen unbeeindruckt von den Geldsummen, die Howela ihm im Falle einer Unterstützung bei der Suche nach Niklas Schmitt in Aussicht gestellt hatte. Im Gegenteil, Jürgens amüsierte sich köstlich und verspottete Howela.
»Was, verdammt noch mal, hat er denn genau gesagt?« Clarissa war die Enttäuschung anzumerken.
»Zuerst leugnete er, einen Niklas Schmitt zu kennen. Als ich ihm dann die mir bekannten Daten und Fakten aus Genf präsentierte, wollte er wissen, warum ich ihn suche. Wie immer habe ich etwas von Erbschaftsangelegenheit gefaselt. Daraufhin brach Jürgens in Lachen aus.«
»Wieso das denn?«
»Er sagte zu mir: Wissen Sie denn nicht, dass Nik eine Art Wunder ist? Er hat keine Eltern. Damit ist er so was Ähnliches wie der Sohn Gottes. Und was hat der schon zu vererben? Das Himmelreich?«
»Interessante These«, meinte Clarissa trocken. »Und dann?«
»Das Gespräch war relativ zügig beendet. Ich habe danach einen der Wärter bestochen und alle Kontakte überprüft, die Jürgens telefonisch und postalisch nach draußen hat. Nichts Auffälliges. Aber die sind hundsdämlich da. Die lassen Jürgens aufgrund seiner hohen Bildung die Gefängnisbibliothek leiten. Alles vom Feinsten da. Die Verwaltung und die Bestellungen werden per Computer getätigt. Damit geben diese Idioten einem Hacker täglich Zugang zum Internet!«
»Und Sie haben das Gefühl, dass dieser Jürgens noch mit Niklas Schmitt in Kontakt steht?«
»Durchaus möglich.«
Clarissa überlegte, inwiefern das für sie von Nachteil sein konnte. Wenn ja, würde Niklas erfahren, dass jemand nach ihm suchte. Aber unter den gegebenen Umständen würde er vermutlich auf die Kripo tippen und nicht auf sie. Vielleicht würde er dann Angst bekommen und abtauchen. Oder sogar das Land verlassen. Und sie hätte endlich wieder ihre Ruhe. Ihre Überlegungen wurden von Howela unterbrochen, der aufgestanden war und ihr den Bademantel von den Schultern streifte. Sie mussten sich beeilen. Er wollte seine Maschine nach London nicht verpassen.
Um die Mittagszeit kam Clarissa beschwingt ins Büro. Sie war ausgeruht, befriedigt und nährte die Hoffnung, dass der Albtraum bald vorüber sein könnte. Howela war unterwegs nach London, um sein Glück bei Anthony Parkinson zu versuchen. Vielleicht war der nicht so loyal zu seinem Freund aus Studienzeiten wie Rafael Jürgens. Howela hatte herausgefunden, dass Parkinson aufgrund seiner Wettsucht chronisch knapp bei Kasse war. Möglicherweise würde er für dreißig Silberlinge den »Sohn Gottes« verraten.
Kurz darauf meldete ihre Assistentin Tanja den Besuch von Rüdiger Roth, dem Vorstandsvorsitzenden des Konzerns und größten Unterstützer Clarissas. Sie empfing ihn mit entsprechendem Enthusiasmus. Herr Roth berichtete, dass er mit zwei der Hauptaktionäre essen gewesen war und sie auf Clarissa als seine Nachfolgerin einschwören konnte. Clarissa bedankte sich. »Herr Roth, wie kann ich das nur wiedergutmachen?«
Roth lehnte sich im Besuchersessel zurück, stellte die Ellbogen auf die Armlehnen und tippte die Fingerspitzen seiner beiden Hände aneinander. Dabei lächelte er souverän. »Ich will dem Konzern natürlich auch in meinem Ruhestand weiterhin verbunden bleiben. Schließlich bin ich Aktionär.«
Clarissa wusste, worauf Roth anspielte. Roth hatte nicht nur ein paar Aktien, sondern viele. Insofern war es entscheidend für seine Finanzen, stets mehr als frühzeitig über die Geschicke der Firma auf dem Laufenden zu sein. Roth sprach von Insider-Informationen über günstige Zeitpunkte zum Kaufen und Verkaufen. »Herr Roth, darüber müssen wir doch gar nicht reden«, antwortete Clarissa. »Ich werde Sie immer als meinen Mentor betrachten und in allen maßgeblichen Situationen selbstverständlich um Ihren
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