Puppenspiele
spuckte Howela ins Gesicht.
Howela wollte zuschlagen, doch sein Handy klingelte. Er ging ran. Es war Clarissa. Er sagte ihr, dass der Moment unpassend wäre, doch das drang nicht bis zu ihr durch. Howela merkte an ihrer ungewohnt brüchigen Stimme, dass etwas passiert sein musste. Sie erzählte ihm von Niklas’ bühnenreifem Auftritt in ihrem Büro. Und sie richtete ihm Grüße von Niklas aus, der vollmundig angekündigt hatte, ihn zu töten.
»Ich bin gerade bei Parkinson. Der Idiot ist genauso stur wie dieser Jürgens in Frankfurt. Wenn ich hier raus bin, wird er garantiert sofort Kontakt zu Schmitt aufnehmen und ihn über meinen Besuch informieren.« Howela lächelte Parkinson zu. »Falls er das dann noch kann.«
»Wenn Niklas hört, dass du auch bei Parkinson warst, kommt er vielleicht wieder in mein Büro. Das darf nicht passieren, hörst du?« Clarissa klang völlig hysterisch, als sie Howela erzählte, wie Niklas mit seiner rechten Hand den aktuellen Vorstandsvorsitzenden begrüßt hatte, während er in der linken das Päckchen mit einer neuen Herzlieferung hielt.
Als Howela auflegte, wusste er, was er zu tun hatte. Ohne Zögern ging er zu Parkinson, griff sein Messer und schnitt ihm den linken Daumen ab. »Adresse.«
Parkinson stöhnte qualvoll auf. Und spuckte Howela an.
Howela schnitt ihm den Zeigefinger ab.
»Wenn ich Niklas verrate, bringt er mich um«, stöhnte Parkinson. Endlich stand Panik in seinen Augen. Parkinson war kurz vor der Ohnmacht.
»Wenn du ihn nicht verrätst, tue ich es.« Howela griff in seine Tasche und holte eine Pistole und einen Schalldämpfer hervor. Beides hatte er sich vor seinem Besuch bei Parkinson über alte Kontakte in London besorgt. Seine eigene Waffe hatte er zu Hause gelassen. Er besaß zwar einen Schein, der ihn zum Führen einer Waffe berechtigte, hätte aber unliebsame Aufmerksamkeit bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen erregt. Außerdem erledigte er solche Jobs grundsätzlich nicht mit der von ihm angemeldeten Sig Sauer. In aller Gemütsruhe schraubte er den Schalldämpfer auf die Pistole, während er Parkinson beobachtete. Er drückte ihm den Lauf an die Schläfe. »Adresse.«
»You won’t do that, Kraut!«
Howela fand es immer wieder erstaunlich, dass Menschen in kritischen Momenten in ihre Muttersprache verfielen. Selbst gut trainierte Agenten hatten sich so schon selbst enttarnt. »I will, Tommy. Adresse.«
Parkinson schüttelte den Kopf, soweit die Pistole an seiner Schläfe das zuließ.
Howela drückte ab.
Hamburg.
Am späten Abend traf Christian mit dem Zug in Hamburg ein.
Seine Glieder schmerzten, er war todmüde. Dennoch folgte er beim Aussteigen am Bahnhof Dammtor der spontanen Eingebung, einen Spaziergang zu machen, um den langen Tag im ruhigen Rhythmus seiner Schritte ausklingen zu lassen. Kurz hinter dem Bahnhof kletterte er über den Zaun des Parks »Planten und Blomen«, der nachts für Besucher geschlossen war. Christian sehnte sich danach, die Stille inmitten der Großstadt zu genießen. Außerdem verkürzte er mit dem Durchqueren des Parks seinen Weg zum Büro der Soko Bund im Schanzenviertel. Obwohl er müde war, wollte Christian noch kurz dort vorbei, um in aller Ruhe ein Bier zu trinken und dabei auf die Pinnwände zu starren, die von Daniel und Yvonne sicher in der Zwischenzeit mit allen wesentlichen Informationen über die Morde bestückt worden waren.
Er fand ein letztes Bier im Kühlschrank ihrer Einsatzzentrale. Christian öffnete die Flasche mit einem in der Küche herumliegenden Kaffeelöffel und schlenderte hinüber zu dem Zimmer, das ihnen als Konferenzraum diente. Die Pinnwände hatten nicht ausgereicht für die Fülle des bisher gesammelten Materials, auch die vergilbte Raufasertapete war übersät mit Fundort-Fotos, Obduktionsberichten, einer grafischen Darstellung von den Bewegungsabläufen des gesuchten Mörders, Ermittlungsplänen und massenweise Kopien von Zeugenaussagen, auf denen die wichtigsten Sätze markiert waren.
Christian setzte sich auf einen Stuhl, legte die langen Beine auf den Tisch und ließ seinen Blick über die Collage aus Blut, Grauen und Informationen gleiten. Der Konferenzraum lag nach hinten zum Hof. Christian hörte zuerst noch das dumpfe Rauschen der Großstadt, das Rattern der späten S-Bahn und die auf der Straße vor dem Haus vorbeifahrenden Autos. In der Ferne heulte eine Sirene. Dann blendete er die Geräusche aus. Nach einer knappen Minute der Versenkung schien es ihm, als wäre
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