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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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verwirrten ihn. »Aber wir wären hier Tag für Tag diesem Choleriker ausgeliefert! Das kann dir doch unmöglich gefallen.«
    Sie umschloss zärtlich seine Hand. »Da hast du recht. Aber du sollst keine Entscheidung aus Wut treffen. Ich mache dir einen Vorschlag: Wir werden ein paar Wochen hier wohnen, und wenn es nicht funktioniert, dann suchen wir uns etwas Eigenes.«

    Er holte tief Luft und überlegte. Vielleicht war er jetzt gerade wirklich zu verärgert und sollte sich erst einmal beruhigen. Lisas Vorschlag war vernünftig.
    »Also gut«, sagte er.
    Sie lächelte zufrieden. »Zeigst du mir jetzt die Albatros ?« Dann lief sie zum Bootshaus, während Michael am Seeufer stehen blieb. Viele Gedanken schwirrten durch seinen Kopf und nisteten sich dort ein wie die Vögel in der Trauerweide. Seit dreiunddreißig Jahren tanzte er nach der Pfeife seines Vaters. Es wurde Zeit, ihm endlich Paroli zu bieten.
    »Nun komm schon«, rief Lisa ungeduldig.
    Er ging zum Bootshaus. Lisa die Albatros zu zeigen war eine gute Idee. Das würde ihn ablenken und auf andere Gedanken bringen. Tatsächlich vergaß er den unangenehmen Abend, als er sah, wie Lisas Augen beim Anblick der schneeweißen Yacht zu glänzen begannen. An dicken Seilen hängend wartete die Albatros darauf, endlich wieder ins Wasser gelassen zu werden.
    Lisa bestaunte das Boot, während ihre Finger sanft über den Rumpf glitten. »Wie bist du auf den Namen Albatros gekommen? Passt der Name nicht besser zu einem Segelboot?«
    Er musste schmunzeln, weil sie den Nagel damit auf den Kopf getroffen hatte. »Ursprünglich war es auch der Name eines Segelbootes«, erklärte er ihr. »Die Albatros hat meinem Großvater gehört, und er hat mit ihr so viele Preise gewonnen, dass für mich immer klar war: Wenn ich einmal ein eigenes Boot besitze, werde ich es auch so nennen. Und das habe ich dann auch getan.«

    »Dein Großvater war Segler?«
    »Hobbysegler. Aber einer mit Ehrgeiz. Er hat an großen Regatten teilgenommen«, erzählte Michael stolz.
    »Existiert das Boot heute noch?«, fragte Lisa.
    »Nein, aber es gibt ein naturgetreues Modell davon. Willst du es sehen?«
    Sie nickte. »Wo steht es?«
    »Hier im Bootshaus.« Er zeigte auf eine Eisentür. Dahinter befand sich der Hobbyraum seines Großvaters, den dieser immer schlicht als Büro bezeichnet hatte. Seit einer Ewigkeit war Michael nicht mehr in diesem Raum gewesen.
    Er ging mit Lisa zur Tür. Wie erwartet war sie verschlossen. Wegen eines lange zurückliegenden Zwischenfalls, an den Michael sich kaum noch erinnern konnte, wurde dieser Raum von niemandem mehr betreten. Sein Vater wollte das nicht, und wie immer hatten sich alle daran gehalten.
    Bis jetzt jedenfalls, dachte Michael, denn ab heute sollte sich das ändern. Wenn er in das Büro seines Großvaters wollte, gab es keinen Grund, um Erlaubnis zu fragen. Michael war nicht nur der Enkel, sondern auch der beste Freund seines Großvaters gewesen, und er kannte so manches Geheimnis, von dem sonst niemand etwas wusste. So auch das Versteck für den Ersatzschlüssel. Er war sich sicher, dass dieser noch an seinem alten Platz lag.
    »Das wollen wir doch mal sehen«, sagte Michael zu sich selbst und stieg über herumliegende Seile in den hintersten Winkel des Bootshauses. Der alte Anker, von
dem sein Großvater sich nie trennen wollte, lag noch dort. Daneben stand die Werkzeugkiste. Unter Zangen, Schraubenziehern und verrosteten Schrauben fand Michael das braune, abgegriffene Lederetui mit dem Schlüssel.
    Seit zwölf Jahren war der Schlüssel in dieser Kiste versteckt, ohne dass jemand ihn bemerkt hatte. Niemand außer Michael betrat je diesen Ort. Sein Vater interessierte sich nicht für Boote, und seine Mutter würde sich, nach dem Vorfall von damals, schwer davor hüten.
    Er ging zurück zu Lisa und steckte den Schlüssel ins Schloss. Als dieser sich drehte und die Tür sich öffnen ließ, durchzuckte ihn ein Glücksgefühl.
    Feuchte, modrige Luft schlug ihnen entgegen. Fetzen des Abendlichtes fielen durch die geschlossenen Fensterläden und tauchten den Raum in ein gespenstisches Halbdunkel. Dichte Spinnweben hingen wie eigenartige Gebilde von der Decke herab. Als Michael das Licht einschaltete, tanzte der Staub in dessen mattem Schein.
    Er ging langsam durch den Raum hindurch. Erinnerungen wurden wach an die Zeit, als sein Großvater im Sessel hinter dem wuchtigen Mahagonischreibtisch saß, Fotos in Alben klebte oder an dem Schiffsmodell der Albatros bastelte.

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