Puppentod
Ernst.
Sie lachte herzhaft. »Wenn derjenige auch nur einigermaßen gut schwimmen kann, wird er das wahrscheinlich überleben. Du musst dir also etwas anderes einfallen lassen. Aber vorher holen wir dein Gepäck aus dem Auto. Danach zeige ich dir das Haus.«
In Margeritas bunt beleuchteter Fisch- & Cocktailbar herrschte wie immer Hochbetrieb. Trotzdem aber ließ die beleibte
Margerita mit ihrem gutmütigen Lächeln es sich nicht nehmen, so lange bei Michael am Tisch stehen zu bleiben, bis er ihre Calalou -Suppe probiert hatte.
Zunächst schmeckte sie sehr würzig, danach ein wenig süß und dann … Was war denn das? In seinem Mund fand plötzlich eine Explosion statt, eine Art Vulkanausbruch, dessen feurig heiße Lava sich über seine Zunge ergoss. Dieses Zeug war so entsetzlich scharf, dass er wie ein Karpfen auf dem Trocknen nach Luft schnappte.
»Bueno?«, fragte Margerita gespannt und blickte ihn mit ihren fröhlichen Augen erwartungsvoll an.
Er kippte verzweifelt ein Glas Wasser herunter, während Lisa amüsiert auflachte.
»Ich hätte dich warnen müssen! Margerita liebt roten Habanero und geht nicht gerade sparsam damit um.«
»Was ist das?«, wollte Michael wissen und nahm aus Anstand noch einen zweiten Löffel. Doch die Schärfe trieb ihm die Tränen in die Augen.
»Ein Chili«, erklärte Lisa. »Einer der schärfsten der Welt.«
»Bueno?«, fragte Margerita noch einmal.
Michael nickte und war froh, dass sie daraufhin zufrieden abzog. Er konnte diese Suppe nicht essen, auch nicht der Köchin zum Gefallen. Er könnte sie nicht einmal essen, wenn er kurz vorm Verhungern wäre.
Lisa schob die Schüssel beiseite und sagte: »Außer den Einheimischen kann das niemand essen, für den Gaumen eines Mitteleuropäers ist es jedenfalls absolut ungeeignet.«
Das beruhigte Michael.
Als Flavio den Hummer brachte, kam Margerita mit einer Flasche Schnaps dazu. In Reih und Glied stellte sie drei Gläser auf den Tisch, füllte diese bis zum Rand, gab eines davon Michael, eines Flavio und das andere behielt sie selbst.
»Arriba«, sagte Flavio.
»Abajo«, sagte Margerita.
Dann hielten sie ihre Gläser in die Luft und schienen darauf zu warten, dass auch Michael etwas sagte.
Hilflos sah er zu Lisa.
»Al centro«, vervollständigte sie den Trinkspruch. » Arriba - nach oben, abajo - nach unten, al centro - in die Mitte, adentro - ab in den Mund«, erklärte sie ihm.
Und weil Flavio und Margerita noch immer auf seinen Einsatz warteten, rief er: »Al centro« und kippte, so wie die anderen, den Schnaps in einem Zug hinunter. Sein Geschmack war gewöhnungsbedürftig, nach Rum, Honig und Kräutern.
»Mamajuana«, sagte Margerita, was so viel hieß wie, der Schnaps sei gut für den Magen.
»Und für den Mann«, ergänzte Flavio grinsend und in schlechtem Englisch.
»Wofür?«, fragte Michael.
»Für die Potenz«, erklärte Lisa ihm und verdrehte die Augen, während Flavio schon wieder nachschenkte. Michael wollte sich wehren, doch es hatte keinen Zweck. Er trank weiter, schließlich war er im Urlaub.
Zu fortgeschrittener Stunde versuchte Lisa, ihm am Strand das Salsa-Tanzen beizubringen, nur schien er dafür nicht begabt zu sein. Er beherrschte den Schwung
aus der Hüfte heraus nicht, aber Lisa konnte das gut. So gut, dass er sie am liebsten auf der Stelle vernascht hätte. Dieser Tanz war sehr verführerisch. Und Lisa war an diesem Abend wie ausgewechselt. So locker und fröhlich hatte er sie noch nie erlebt. Als sei sie beschwipst, dabei hatte sie den ganzen Abend nur Wasser getrunken.
Für ihn hingegen war es wohl ein Gläschen zu viel gewesen. Er hätte zwar noch selbst nach Hause fahren können, war aber trotzdem froh, dass Lisa es tat. Warum allerdings das Bett so schwankte, konnte er nicht verstehen. Es kam ihm vor, als mache er eine Kreuzfahrt. Doch unangenehm war das nicht. Solange er Lisa im Arm hielt und ihren nackten Körper spürte, war gar nichts unangenehm. Würde dieses Bett nicht so schaukeln, würde er jetzt wilden Sex mit ihr machen. Aber so fühlte er sich wie in einem Ruderboot. Wieso nur hatte Lisa diese Kreuzfahrt gebucht? Wollte sie nicht ursprünglich in die Karibik?
Michael wachte auf, weil eine Fliege durch das Zimmer surrte. Verärgert blinzelte er durch das Moskitonetz in den lichtdurchfluteten Raum.
Munteres Vogelgezwitscher drang an sein Ohr, unterlegt vom Rauschen des Meeres und den zarten Klängen der Windspiele. Er tastete nach Lisa, doch das Bett neben ihm war leer.
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