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Puppentod

Titel: Puppentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Winter
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herstellen?«
    Rudolf verneinte erneut, woraufhin die Profilerin meinte: »Es muss auch nicht unbedingt eine geben. Der Titel selbst kann die Nachricht sein, denn er hat immerhin eine ganz besondere Bedeutung. Ikarus flog hoch hinaus und kam der Sonne zu nah, deshalb schmolzen seine Flügel, und er stürzte ins Meer. Der Sturz des Ikarus gilt
als die Strafe der Götter für alle, die zu hoch hinauswollen. Das bestätigt eindeutig die Rachetheorie.«
    »Und was, bitte schön, soll das alles bedeuten?«, fragte Rudolf.
    »Dass jemand Sie fertigmachen will«, antwortete Dexter sachlich.
    Daraufhin verfinsterte sich Rudolfs Miene. »Dann finden Sie denjenigen«, sagte er und fügte mit eiskalter Stimme hinzu: »Und finden Sie ihn schnell.«

    Kaum hatte Michael die Küche betreten, fragte Hilde: »Sind diese Sicherheitsleute weg?«
    »Eben gegangen«, antwortete er.
    »Und wo ist dein Vater?«
    »Mit Harry im Büro. Krisenbesprechung!«
    Sie lachte kurz auf. »Krisenbesprechung mit Harry! Wenn ich das höre, geht mir glatt der Hut hoch. Mit uns sollte er sprechen, aber das hält er nicht für notwendig. Sollte ich mich je von deinem Vater scheiden lassen, werde ich ihm empfehlen, Harry zu heiraten. Ich hoffe nur, dass der kochen kann.«
    »Das kann er bestimmt nicht«, entgegnete Michael amüsiert.
    »Dann soll er es lernen«, brummte Hilde verärgert und sagte: »Geh und frag deinen Vater bitte, wann er essen will. Möchte wissen, was es nach sechs Stunden mit diesen Spezialisten noch zu besprechen gibt.«
    Michael zuckte mit den Schultern und verließ wortlos die Küche.

    Das wird nicht die letzte Krisenbesprechung sein, dachte er, denn eines war vollkommen klar: Sein Vater würde keine Ruhe geben, bis er denjenigen, der seine Bilder zerstört und seinen Hund vergiftet hatte, persönlich zwischen den Fingern zerquetschen konnte - wie eine faule Tomate.
    Er war noch nicht am Büro angekommen, da hörte er bereits Harry und seinen Vater miteinander sprechen, was bei geschlossener Tür nicht möglich war. Doch die Tür war nicht richtig ins Schloss eingeschnappt, und somit konnte er jedes Wort verstehen.
    »Hast du eine Vermutung?«, fragte sein Vater.
    Woraufhin Harry sagte: »Vielleicht hat Ilona Berger etwas damit zu tun.«
    Es folgte ein kurzes Schweigen. Dann wieder die Stimme seines Vaters: »Nein, das glaube ich nicht. Warum sollte sie die Kuh schlachten, die sie melkt.«
    »Wer weiß«, meinte Harry. »Sie könnte doch …« Mitten im Satz brach er ab. Er schien die offene Tür bemerkt zu haben, denn sie wurde abrupt zugezogen.
    Michael war verwirrt. Was hatte dieses merkwürdige Gespräch zu bedeuten? Eine Ilona Berger würde die zu melkende Kuh nicht schlachten? Wurde sein Vater erpresst? Hatte er deshalb die Polizei nicht geholt?
    Er ließ ein paar Minuten verstreichen, bevor er an die Bürotür klopfte. Nachdem Harry ihm geöffnet hatte, stellte er brav seine Fragen und kam sich dabei vor wie ein zwölfjähriger Junge. Und genauso, dachte er verärgert, behandelt ihr mich auch.

    »Wir brauchen noch eine halbe Stunde«, knurrte sein Vater. Danach machten sie die Tür wieder zu. Was die beiden zu besprechen hatten, schien für seine Ohren nicht bestimmt zu sein.
    Auf dem Weg zurück in die Küche fiel ihm die zweite Puppe wieder ein. Da er in der nächsten halben Stunde mit seiner Mutter allein war, sollte er die Gelegenheit nutzen, mit ihr darüber zu sprechen. Also ging er zum Sideboard, um die Puppe zu holen. Doch sie war nicht mehr da. Sie lag weder in der oberen Schublade zwischen den Mützen und den Schals noch in einer der anderen. Und auch nicht im Garderobenschrank. Er suchte alles ab. Die Puppe war verschwunden. So als hätte es sie nie gegeben, als hätte er das nur geträumt.
    Er begann, an sich zu zweifeln. War er jetzt verrückt geworden? Sah er Puppen, die es gar nicht gab? Das wäre bedenklich, sein Zustand reif für die Psychiatrie. Nur gehörte er da nicht hin, denn vorhin saß diese Puppe hier, dafür würde er seine Großmutter verwetten.
    Er warf einen kurzen Blick gen Himmel und murmelte eine leise Entschuldigung. Aber er war sich ganz sicher: Er hatte die schwarz gelockte Puppe in die oberste Schublade des Sideboards gelegt. Und nun war sie verschwunden. Das ging nicht mit rechten Dingen zu - es sei denn, seine Mutter hatte sie gefunden und woanders hingebracht.
    Aber Hilde wusste überhaupt nichts von einer Puppe und versicherte ihm, in den letzten Stunden nicht am Sideboard gewesen zu

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