Purgatorio
Geldscheine sind, das Motto
In God We Trust
geschrieben haben, warum sollten wir es uns da nehmen lassen, in alle Himmelsrichtungen zu verkünden, dass die Argentinität auf diesen drei heiligen Worten gründet:
Gott, Vaterland, Familie
?« Das wäre eine ewige Lektion, die jeglichem Angriff der totalitären Subversion den Wind aus den Segeln nehmen würde. Sie glaubten weder an Gott noch an die Familie, und das Vaterland, für das sie kämpften, war eher sowjetisch oder castristisch denn argentinisch: ein exotisches Vaterland, das sozialistische Vaterland.
Simón verschwand Anfang Juli in Tucumán. Die Nachmittage waren lau, und nachts fiel Raureif. Im Büro hatte man sie mit einer leichten Aufgabe betraut, fast wie Ferien. Im Süden von Tucumán sollten sie zehn Kilometer eines unsichtbaren Weges topographisch erfassen, der auf der Karte nur als punktierte Linie erschien. Die Provinz habe sich sehr verändert, sagte Dupuy. Bis vor kurzem sei sie ein feudaler, gewalttätiger Ort gewesen. Die Subversiven seien so dreist gewesen, ihn zum Freistaat Südamerikas auszurufen. Stellt euch so was Lächerliches vor. Jetzt gibt es dort Frieden und Reichtum und keine Überfälle und Entführungen mehr. Der Bordstein ist blau-weiß gestrichen. Ihr werdet nirgends etwas anderes als Ordnung sehen. In kaum vier Monaten hat die Militärregierung Wunder gewirkt.
Auf dem Flughafen wartete ein vom Automobilklub gemieteter Jeep auf sie. Sie übernachteten in einem Hotel im Zentrum und brachen um fünf Uhr morgens Richtung Süden auf. Die frühe Stunde, die dünne Luft, die leeren Straßen – all diese Einzelheiten, für sich genommen vielleicht ganz unwichtig, waren die ersten, an die sich Emilia erinnern sollte. Das Glitzern der nächtlichen Feuchtigkeit auf den Zuckerfeldern. Die Schatten der Hunde, die sich unter den Straßenlaternen bewegten. Die auf ihren großen Matten trocknenden Tabakblätter. Alle paar Kilometer mussten sie bei einem militärischen Kontrollposten ihre Papiere zeigen und erklären, warum sie an den Ort fuhren, an den sie fuhren. Sie wurden in Famaillá, Santa Lucía, Monteros, Aguilares, Villa Alberdi angehalten. Beim Posten von La Cocha kam ein Feldwebel mit halbheruntergelassener Hose aus der Toilette und ließ ein weiteres Mal ihren Jeep durchsuchen. Vor allem unten, befahl er den Wachsoldaten. Diese Scheißsubversiven verstecken ihre Waffen in einem doppelten Boden unter den Sitzen. Wir sind Kartographen des Automobilklubs. Wir zeichnen Karten, erklärte Simón. Das machte alles noch schlimmer. Man schloss sie in ein Werkzeuglager ein und stellte ihnen sinnlose Fragen. Sind diese Dokumente nicht vielleicht gefälscht? Warum habt ihr einen Jeep gemietet und kein normales Auto wie alle anderen? In den Ecken des Raums waren Maiskolben aufgestapelt, und es gab Ratten, riesig, grau, bedrohlich. Um die Zweifel der Wachen zu zerstreuen, zeichnete Simón die Strecke, die sie topographisch erheben sollten, von Los Altos bis zum Fluss El Abra. Er erklärte, auf den normalen Karten fehlten einige Namen und Bezeichnungen und der Verlauf der Fernstraße 67 sei teilweise falsch. Er und seine Frau seien gekommen, um diese Fehler zu korrigieren. Gestern hat ein Flugzeug das Gebiet überflogen, sagte der Feldwebel. Es ist zweimal vorbeigekommen, sehr niedrig. Ich hatte den Eindruck, dass fotografiert wurde. Jetzt denke ich, dass das vielleicht eure Komplizen sind. So werden die Attentate der Terroristen vorbereitet, mit Spionen und durchreisenden Besuchern. Kardologen, Natologen, alle tarnen sie sich. Sartologen wie ihr.
Kartographen, sagte Emilia. Warum sehen Sie sich unsere Beglaubigungsschreiben nicht richtig an?
Ihr könnt weiterfahren, lenkte der Feldwebel ein. Aber lasst euch gesagt sein, dass wir euch im Auge behalten. Ihr müsst noch den Posten von Huacra passieren. Wenn man euch dort zurückschickt, möchte ich nicht in eurer Haut stecken.
Der Militärposten von Huacra schien verlassen. Die erstickende Stille, die leeren, fast unwirklichen Wachhäuschen befremdeten sie. Sie befanden sich auf der Grenze zwischen zwei Provinzen, an einem Ort, wo sich zwanzig Soldaten in pausenloser Wache abzulösen hatten, und keine Menschenseele war zu sehen. Links des Weges krochen langsam die roten Strahlen des Tagesanbruchs herauf. Durch die Planen des Jeeps drang tödliche Kälte ins Innere. Sie fuhren weiter bis zum Fluss El Abra oder was sie dafür hielten. Das Bett war ausgetrocknet, und in der Ferne erhob sich
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