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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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her. Deine Schwester hat es ja gesagt: Es brauchen nur ein paar Tage im Monat zu sein. Was hast du für ein Problem damit, da du ja nicht mehr hier wohnen wirst?
    Er wandte sich an Emilia:
    Auch ich will keine Probleme. Solange sie im Haus ist, hat Ethel in ihrem Zimmer zu bleiben – als das, was sie ist, eine Pflanze. Wenn ich sie herauskommen sehe oder sie höre, schick ich sie in die Klinik zurück.
    Und was ist mit meiner Arbeit?, fragte Emilia.
    Die wirst du nach und nach aufgeben müssen. Entscheide dich: Entweder sorgst du hier für deine Mutter, oder alles bleibt, wie es ist.
    Eine Krankenschwester, brachte sie als Protest heraus.
    Darüber habe ich gut nachgedacht. Ich werde keine Fremden in meinem Haus dulden, unterbrach Dupuy sie.
    Was Emilia am wenigsten erwartete, war das Gefängnis, in das sie sich damit gebracht hatte. Die Liebe und die guten Absichten führten sie von Zelle zu Zelle; die hier, die ihres Vaters, war die bitterste.
    Sie würde das Elend vergessen, wenn sie sich in die Arbeit stürzte. Sie brauchte alles Geld, das sie verdienen konnte, sie brauchte es verzweifelt, um eines Tages weggehen zu können. Sie war eine verheiratete, erwachsene Frau. Sie musste ihr Joch abschütteln. Sie wusste ja nicht einmal mehr, wie sie sich in der Stadt zurechtfinden sollte, in der sie sich früher mit Simón blind bewegt hatte. Wo sich zwei Jahre zuvor eine Straße aufgetan hatte, erhoben sich jetzt Umzäunungen und Schuttberge; unter den Häusern erschienen Tunnel, und an einigen Orten auferstand das Buenos Aires der Vergangenheit, die Zisternen, die schon für immer verloren geglaubten Mietkutschen oder die Pfosten zum Anbinden der Pferde. Fast täglich zeichnete der Automobilklub die Pläne ganzer Viertel neu, die vom in Angriff genommenen Netz der Autobahnen entstellt wurden. Sie teilte mit, sie werde sich um ihre Mutter kümmern müssen und bald nur noch die halbe Zeit arbeiten können. Es blieb noch der neue Verlauf einiger Zonen zu erheben, und sie hatte das Glück, Parque Chacabuco zugeteilt zu bekommen, wo sich die geriatrische Klinik befand. Sie würde sich die Zeit nehmen, oft hinzugehen und sachte die gute Nachricht zu verkünden. Mama, wir werden im selben Zimmer schlafen, so wie früher, würde sie ihr sagen. Ich werde wieder für dich sorgen. Sie musste diese letzten Gespräche nutzen, um ihr die Außenwelt zu beschreiben, die sich so sehr veränderte.
    Buenos Aires war ein anderes: Die Zeitungen sagten, der Fortschritt verändere die Stadt, doch das einzig Fortschreitende, was Emilia bemerkte, war das Elend. Der Bürgermeister vertrieb mit Baggern die Armen, die in den Elendsvierteln Zuflucht gesucht hatten. Leisteten sie Widerstand, kappte man ihnen Strom und Wasser. Die Panzerfahrzeuge brachen in die Baracken ein und planierten erbarmungslos Matratzen, Blechherde, halbgare Mahlzeiten. Das würde sie ihr nicht erzählen, bloß sagen, dass kaum noch etwas da war, wo es einmal gewesen war.
    Die ihr zugeteilte Zone war ein Geflecht kurzer Straßen und baumbepflanzter Passagen, ein zum Tode verurteilter Winkel der Stadt. In wenigen Monaten würden die Kartographen die Pläne neu erstellen und neue Ecken zeichnen müssen – die gegenwärtigen waren kurz vor dem Verschwinden –, die jetzt noch von punktierten Linien getarnten Leeren füllen. Es war Montag. Die Regenfälle der vorangegangenen Woche milderten die wütende Januarhitze. Emilia stieg aus dem Bus und durchquerte den Park. Beim Gehen war ihr unbehaglich – sie wusste, dass sie überwacht wurde, aber sie konnte nicht sehen, woher. Vielleicht von Hauseingängen, Balkonen, Dachzinnen aus. Der Vater sagte immer, die besten Wächter seien die, die man nicht sehe, und sie sah niemanden, doch sie war sicher, dass man ihr auflauerte, spürte es im Nacken. Sie konzentrierte sich auf den kleinen Plan in ihrer Tasche. An einem Ende des Parks taten sich fächerförmig die Passagen auf: De las Ciencias, Del Buen Orden, Del Progreso, Del Comercio, Namen als letzter Abglanz des Positivismus. Sie zog ihr Zeichenheft hervor und begann sich Notizen zu machen. Da schreckte sie ein Getöse auf. Hinter ihr brach eine riesige Zementkugel die Wände eines Hauses ein. Der Staub der Trümmer wirbelte hoch und fiel auf eine Familie, die unter freiem Himmel zu Mittag aß, auf einem offenen, schuttübersäten Feld. Der Esszimmertisch war gedeckt – gewürfeltes Tischtuch, panierte Schnitzel, verwüstet von den Kieseln und dem Ziegelsteinstaub. Der am

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