Purgatorio
Die Krankheit ist unheilbar, aber falls ihr überhaupt etwas hilft, dann ist es die Liebe.
Baruch Ata Adonai, rezitierte Ethel.
Ein Lob Gottes, übersetzte der Arzt. Ihre Mutter ist ein sehr gläubiger Mensch. Sie wiederholt dasselbe Gebet mehrmals am Tag.
Das ist aber nicht das, was sie früher gebetet hat. Sollte sie konvertiert sein?
Wie kommen Sie darauf. Dazu ist sie nicht in der Lage. Sie nennt Gott, wie sie eben kann, wie sie sich an ihn erinnert.
Sie nach Hause mitzunehmen wird Probleme schaffen. Wir haben fast ihre ganzen Kleider verschenkt. Meine Schwester steht kurz vor der Vermählung. Ich arbeite viele Stunden, mein Vater ebenfalls.
Denken Sie darüber nach, besprechen Sie es untereinander. Drei Tage oder eine Woche dann und wann, das genügt. Und wegen der Kleider machen Sie sich keine Gedanken. Sie braucht sehr wenig.
Noch am selben Abend sprach Emilia mit dem Vater und Chela, die Zeter und Mordio schrie. Spinnt denn dieser Arzt? Spinnen wir eigentlich alle? Bestimmt hast du ihm nicht einmal gesagt, dass ich heirate und dass sie, wenn sie hier ist, nur Katastrophen auslöst.
Der Vater sinnierte. Mit der Entschuldigung, es deprimiere ihn, die Frau, der er seinen Namen gegeben habe, als Wrack zu sehen, ließ er sich nur sehr selten in der geriatrischen Klinik blicken. Dann erkundigte er sich, ob sie täglich gebadet werde, ob man sie gut ernähre, und ging wieder. Nie hörte man von ihm ein Wort der Liebe. Er mochte keine Zärtlichkeiten oder (dachte Emilia) benutzte sie vielleicht nur, wenn er etwas behauptete, wovon er nicht überzeugt war.
Der Arzt weiß alles, sagte Emilia. Mama wird erst nach deiner Verheiratung kommen. Und nicht, um zu bleiben. Sie braucht bloß für kurze Zeit in ihrem Haus zu wohnen, und nur ab und zu. Davon kriegst du nicht einmal was mit. Ich werde mich um sie kümmern, und wenn ich nicht da bin, holen wir eine Krankenschwester.
Sie arbeitete weiterhin als Kartographin beim Automobilklub. Sie bezog ein kümmerliches Gehalt, das gerade reichte, um bescheiden zu leben und nicht vom Vater abhängig zu sein. Hätte sie damals gewusst, dass Dupuy bei ihrer Sparkasse eine Summe von der Höhe ihres Gehalts einzahlte, hätte sie ihm das Almosen ins Gesicht geschmissen. Wenn man sie bat, in Überstunden Karten zu zeichnen, willigte sie gern ein, obwohl es sich um ein mickriges Zubrot handelte. Sie schmiedete bereits Pläne, um auf der Suche nach Simón in die Welt hinauszugehen. Sie schloss die Augen und tippte mit dem Zeigefinger auf irgendeine Stelle einer Karte, weil sie dachte, genau da verberge sich ihr Mann und von da werde er auch zurückkommen. Sie wartete auf eine Offenbarung des Zufalls, wie die Bibelleser darauf warten, dass die Weisheit im ersten Vers aufleuchtet, auf den sie blicken.
Entgegen Emilias Befürchtungen wies Dupuy die Empfehlung des Arztes nicht von vorneherein von sich. Er sagte, er werde darüber nachdenken und am nächsten Abend eine Entscheidung treffen. Nie erfuhr die Tochter, mit wem er in diesen Stunden gesprochen hatte, noch wie er zu der unerwartetsten Lösung kam. Ihre einzige Vermutung war, dass in einer Zeit so vieler gesellschaftlicher Veranstaltungen alleinstehende Männer zu Gemunkel Anlass gaben. Mehr als einmal hatte der Aal gesagt, Dupuy tue ihm leid wegen Ethels Krankheit, aber niemand verstehe, warum er nicht mit der Tochter auf die Feste gehe. Emilita ist sehr nett, wir kennen sie seit ihrer Mädchenzeit, man kann sich angenehm mit ihr unterhalten. Verstecken Sie dieses Juwel nicht vor uns, Doktor, legte der Admiral nahe. Gemeinsam werden wir ihr beibringen, das Leben zu genießen.
Dupuy fand nicht, dass die Tochter so viel Aufmerksamkeit verdiente, es sei denn, man schätze sie als Abglanz seines Lichts. Aber es war keine schlechte Idee, mit ihr zur Messe, ins Theater, zu den Tedeums zu gehen. Die Kommandanten hatten recht. Alleinstehende Männer waren verdächtig, und die Kirche würde nicht zulassen, dass er sich wieder verheiratete, solange Ethel noch lebte. Emilia war ein apartes Schmuckstück, warum sich ihrer also nicht bedienen?
Er zitierte die Töchter und sagte, er habe nichts dagegen, wenn die Mutter ab und zu herkomme, vorausgesetzt, dass sich Emilia im Haus einrichte, um für sie zu sorgen, die Hirngespinste aufgebe, die sie in San Telmo zum Verwelken brächten, und seine Begleiterin wäre, wenn sie darum gebeten würde.
Chela war beunruhigt.
Mach dir doch keine Sorgen. Zuerst heiratest du, dann bringen wir sie
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