Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
Vom Netzwerk:
ergebenen Journalisten und eine ebenso ergebene Journalistin in sein Büro und fragte sie, ob sie sich zutrauten, sich als Zimmermann Josef und seine Frau, die Jungfrau Maria, zu verkleiden. Die Untersuchung würde zwei Tage beanspruchen, das Verfassen des Berichts weitere zwei Tage. Nein, nicht
La República
würde den Text abdrucken, die sei nur unter den Eliten in Umlauf. Er würde schon eine Zeitschrift finden, die Hunderttausende Exemplare verkaufte, und würde die beiden gut bezahlen. Die falsche Maria müsste sich die passende Garderobe selbst ausdenken und das Libretto zu dem schreiben, was sie den Leuten sagen würden. Er würde den Text absegnen, das war eine vertrauliche Arbeit. Noch am selben Abend klingelte die Frau bei ihm. Ihr Kopf war von einem blauen Tuch bedeckt, und sie trug ein weites weißes Kleid und plumpe Sandalen. Sie hatte sich einen dicken Bauch umgeschnallt, so dass sie wie im siebten oder achten Monat schwanger aussah. Dupuy bat sie in sein Arbeitszimmer und bot ihr Wasser oder Fruchtsaft an. Lieber einen Whisky, sagte sie. Sie nahm das Tuch ab und deponierte es auf einem Stuhl. Dann zeigte sie ihm Fotos von Josef in entsprechender Gewandung: billige Sackleinenhose, dunkles Hemd, Sandalen. Er würde sich einen Bart wachsen lassen. Wir werden sagen, sagte die Frau, »Ich bin Maria, Hausfrau. Mein Mann Josef ist Zimmermann. Am 24 . Dezember erwarten wir ein Kind. Josef ist arbeitslos. Können Sie uns helfen?« Der Bart ist gut, sagte der Doktor. Und du, finde ich, lässt das Kopftuch besser weg. Es darf nicht so augenfällig sein, man muss die Wirklichkeit herausfordern, die Symbole im Kopf der Leser verankern, nicht wahr? Der Text ist gut. Und Josef kann ein Zimmermannswerkzeug mitnehmen, einen Zollstock, eine kleine Säge, damit ihn die Leute nicht gleich für einen Vagabunden halten. Keine Sorge, Doktor, sagte die Frau und trank vor dem Gehen den Whisky aus.
    Eine Woche später suchte ihn Josef auf. Wir sind entmutigt, sagte er. Wir sind nach Victoria, nach Carapachay, in die Eisenbahnwerkstätten von Remedios de Escalada gegangen, und nachdem wir an diesen Orten erfolglos waren, haben wir unser Glück in Córdoba versucht. Überall hat man uns rausgeschmissen. Dort, wo man uns noch am besten behandelt hat, in einer elenden Kneipe, hat man uns ranzigen Käse und hartes Brot aufgetischt. Im Lokal waren auch zwei Besoffene, die sich über Maria lustig gemacht haben. Am 24 . also wirst du gebären, gerade an Weihnachten? Hast wohl das Gefühl, du bist die Heilige Jungfrau, was? Na, wenn du Jungfrau bist, du dicke Kuh. Scher dich weg. Gott vergebe euch, antwortete Maria, die sehr katholisch ist. Wie könnt ihr mich mit Unserer Lieben Frau verwechseln? Und da war alles im Eimer. Ich konnte sie nicht zum Weitermachen überreden. Ich habe den Bericht schon geschrieben und Ihnen mitgebracht, Doktor, der Vollständigkeit halber. Und in diesem Bericht erzählt ihr eure Erfahrungen so, wie sie waren?, fragte Dupuy. Wortwörtlich, antwortete Josef. Ihr habt überhaupt nichts begriffen. Los, schreibt das noch mal von vorn. Zeigt solidarische Menschen, die euch einen Platz an ihrem Tisch und Arbeit angeboten, euch Babykleidchen geschenkt haben. Ich habe sieben Seiten in der Zeitschrift für euch reserviert. Wenn ihr in der Wirklichkeit gescheitert seid, gibt es noch lange keinen Grund, dass ich mit der Illusion scheitere.
    Einer der Schergen des Admirals hatte sich unter die Mütter der Plaza de Mayo gemischt. Er ging zu einer Versammlung in der Santa-Cruz-Kirche und entführte beim Hinausgehen eine Mutter und zwei französische Nonnen. Am nächsten Morgen berichteten die großen Tageszeitungen, die peronistischen Guerilleros bekennten sich zu den Entführungen und forderten, um die Geiseln freizulassen, »Freiheit für einundzwanzig subversive Delinquenten«. Das sah aus wie eine Finte von Dupuy, doch der Doktor war empört über die Stümperhaftigkeit seiner Nachahmer. Wütend rief er den Admiral an: »Welcher Schwachkopf kommt denn auf die Schnapsidee, die Guerilleros würden ihre eigenen Genossen Delinquenten nennen?«
    Musste er sich eigentlich um alles kümmern? Wenn er einen Moment nicht Acht gab, wirkten selbst seine besten Pläne unsinnig. In einer Rede, die er nicht durchgesehen hatte, gestand der Aal unvorsichtigerweise ein, es gebe viertausend gefangene Extremisten. Das hat er so dahergeredet, das sind zu viele, dachte Dupuy. Man muss endlich mit allen Schluss machen. Er schrieb das

Weitere Kostenlose Bücher