Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
zum Glühen. Wie eine Woge breitete sich in ihr eine Hitze aus, die ihre Knie zittern ließ, so dass sie sich an Miguel festhalten musste. Zugleich ängstigte sie sich vor dieser Nähe. Sie gab sich zwar redlich Mühe, nicht zurückzuzucken, wenn Miguel ihr derart nahe kam, doch sie konnte kaum etwas gegen ihre Befangenheit ausrichten.
Sie verstand sich selbst nicht. Es war ihr unangenehm, von ihm angefasst zu werden, und zugleich sehnte sie sich danach. Sie wollte seine warme Hand auf der Haut spüren, und zugleich sollte er Abstand halten. Sie wollte ihm nahe sein, so nah und vertraut wie nur möglich, und zugleich wollte sie nichts von sich preisgeben. Selbst jetzt war sie hin- und hergerissen und entzog ihm ihre Hand mit einem verlegenen Lächeln.
Sie wusste, spätestens bei der Hochzeit musste sie ihre Scheu aufgeben. Doch das würde schwer werden. Auch deshalb ergriff sie immer wieder einmal selbst die Initiative und nahm Miguels Hand oder streichelte sein Gesicht, wie jetzt. Prompt fing er ihre Hand ein und drückte seinen Mund darauf. Sie wollte etwas zu ihm sagen, doch wie so oft versagten ihr die Worte, als sie seine heißen Lippen auf ihrer Haut fühlte. Als er an sie herantrat und sie in seine Arme zog, hämmerte ihr das Herz in der Brust, und sie war sicher, er müsse es hören können.
» Ich bin bald zurück, favorita! Ich kann gar nicht anders«, sagte Miguel, bevor er eine förmliche Verbeugung machte und in das Beiboot stieg, das ihn zur Santa Anna hinüberbringen würde. » Mein Herz ist schließlich hier bei dir. Und wer kann schon ohne sein Herz leben? Es bleibt mir nichts anders übrig, als mich zu beeilen.«
Sobald er von dieser Reise zurückkam, sollte Hochzeit gefeiert werden. Sie rannte die Treppe zu ihrem Turmzimmer hinauf und trat an eines der Fenster. Von hier oben konnte sie verfolgen, wie auf der Santa Anna das Segel gesetzt wurde und das Schiff allmählich Fahrt aufnahm. Ein roter Wimpel erschien am Mast. Miguel schien genau zu wissen, dass sie die Ausfahrt beobachtete und sagte ihr auf diese Weise Lebewohl. Sie vermisste ihn schon jetzt, stellte sie überrascht fest.
Mirijam öffnete die Lade im Tisch und nahm die Aufzeichnungen ihrer Mutter heraus. Während sie dem Weg der Santa Anna hinaus aufs Meer mit den Augen folgte, streichelten ihre Finger über das schmale Päckchen. Was wohl ihre Mutter zu ihrem Entschluss gesagt hätte, diesen Portugiesen zu heiraten, der sich aus eigener Kraft vom Steuermann zum Schiffseigner hochgearbeitet hatte? Ihr Vater hätte ihn sicher gemocht, er hatte immer viel auf Tatkraft und mutige Ideen gegeben.
Auch Abu Alî war mit der Entwicklung zufrieden, nachdem er den Kapitän regelrecht examiniert hatte. Die finanzielle Lage des Portugiesen, der Zustand seines Schiffes, sein Ruf wie auch seine allgemeinen Ansichten gefielen dem Alten, obwohl Miguel über keinerlei Bildung verfügte, was der Gelehrte natürlich beklagen musste.
» Er weiß nichts von Horaz oder Aristoteles, er kennt keinen Petrarca oder sonst einen der großen Dichter«, hatte Abu Alî bei seinen Befragungen herausgefunden. » Selbst seine Sprachkenntnisse beschränken sich auf das, was in den Häfen rund um das Mittelmeer gesprochen wird, und Latein oder Griechisch sind leider nicht darunter.«
All dies machte Mirijam nichts aus. » Dafür hat er Fähigkeiten, über die weder du noch ich verfügen«, verteidigte sie den Kapitän. » Er hat die Welt bereist, kann Menschen einschätzen, ist aufrecht und tüchtig …«
» Nur ruhig, ich mag ihn ja ebenfalls«, lächelte der Alte. » Außerdem sollten wir eines nicht gering achten: Mit nur einer einzigen Fahrt hat er dich zu einer vermögenden Frau gemacht! Er ist offensichtlich ein erfolgreicher Fernhändler mit exzellenten Verbindungen. Der Handel mit deinen Purpurstoffen lässt sich gut an, und mit Allahs Hilfe gehst du einer gesicherten Zukunft entgegen.«
Mirijam aber knetete ihre Finger. » Abu«, sagte sie, » ich habe ihm bis jetzt nichts davon erzählt, dass ich jüdischer Abstammung bin. Das muss ich tun, oder? Ich wollte nicht unehrlich sein, doch der richtige Moment kam bisher nicht.« Sie schlug die Augen nieder.
» Du hast doch nicht etwa Angst davor?«
» Er glaubt, ich sei deine leibliche Tochter und eine Muslima, er kennt nicht meinen richtigen Namen, ja, er weiß noch nicht einmal, dass auch du kein Berber bist! Und wenn er erfährt, dass du mich den Korsaren abkauftest, dass ich einst deine Sklavin war und in
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