Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
verließen sie widerstrebend die Küche.
» Cornelisz, du? Aber wie …? Was …? Ich meine, wie kommst du hierher?« Endlich hatte Mirijam ihre Sprache wiedergefunden.
Ohne weitere Umstände trat Cornelisz näher und zog sie in seine Arme. » Mirijam, Mädchen! Gott sei Dank, was für ein Glück, du lebst, und es geht dir gut. Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue.« Er spürte die Wärme, die von ihrem Körper ausging und drückte sie ein wenig fester an sich.
Mirijam hob die Hand und berührte eine seiner glänzenden Locken. Wie oft hatte sie davon geträumt? » Du bist es wirklich«, staunte sie, immer noch ungläubig. Unvermittelt aber, als hätten die ersten Worte, die sie seit Ewigkeiten in der Sprache ihrer Kindheit benutzte, eine Schleuse geöffnet, begann sie zu schluchzen. Sie weinte und zitterte und klammerte sich an Cornelisz, der sie wie ein Kind in seinen Armen wiegte.
» So, nun ist es gut«, sagte er irgendwann, » beruhige dich. Keine Tränen mehr!« Er räusperte sich. Auch in seinen Augen glänzte es verräterisch, als er sich von Mirijam löste. » Mein Gott, als Miguel mir erzählte, wen er geheiratet hat, konnte ich es nicht glauben! Ich habe natürlich tausend Fragen an dich, wie du hierhergekommen bist und wie es dir ergangen ist, aber die verschieben wir auf später. Jetzt ist das Wichtigste, dass ihr schnellstens verschwindet. Ihr müsst fliehen, du und dein Vater, hast du verstanden?« Er packte Mirijam bei den Schultern und schüttelte sie sanft.
» Höre mir jetzt sehr genau zu, es ist wichtig! Es wird einen Überfall geben, und zwar noch heute Nacht. Die Sa’adier sind entschlossen, alle Fremden ein für alle Mal aus dem Land zu vertreiben. Und das wird blutig werden.«
Mirijam fand sich nur langsam zurecht. Immer noch fragte sie sich, ob dies ein Traum oder ein Phantasiebild war. Allmählich jedoch drangen Cornelisz’ eindringliche Worte zu ihr durch.
» Nimm nicht zu viele Sachen mit«, sagte er gerade. » Ich werde versuchen, euch beide um das Lager der Krieger herum in die Berge zu führen. Aber du musst dich beeilen, wir haben nicht viel Zeit. Hörst du mich?«
Die Farbe kehrte in Mirijams Gesicht zurück. Sie holte tief Luft und nickte. » Das wird nicht möglich sein«, antwortete sie. Dann nahm sie Abdel, der schon eine ganze Weile in der Tür stand und unsicher von einem Fuß auf den anderen trat, den Tonkrug mit dem Kamelwasser aus den Händen.
» Du verstehst nicht«, drängte Cornelisz. » Die sa’adischen Fürsten mit ihren Wüstenkriegern machen wirklich Ernst! Es wird nicht irgendein Scharmützel werden, diesmal geht es ums Ganze. Sie wollen endlich frei sein von der portugiesischen Fremdherrschaft, und derzeit stehen die Zeichen dafür sehr günstig.«
Mirijam antwortete nicht. Sie tränkte ein Tuch mit dem Urin, wandte sich zur Seite und wickelte den nassen Stoff unter dem Kleid um ihr Bein. Was für eine Wohltat!
» Sämtliche südlichen Imazigh - Völker haben sich vereinigt. Inzwischen kommen Krieger aus allen großen Tälern zusammen, auch aus den Gebirgen, sogar aus dem Tafilalet. Ihre Anführer sind starke Sheïks, die ein gemeinsames Ziel eint«, erklärte Cornelisz weiter. » Diesmal sind die Wüstenkrieger zu allem entschlossen, und sie haben mehr Krieger als jemals zuvor zusammengetrommelt. Hörst du, was ich sage? Insgesamt sechs leff h aben sich gebildet, und diese Bündnisse rücken nun vor! Sie sind bereits sehr nahe.« Cornelisz unterbrach sich.
Es hatte keinen Sinn, Mirijam in Panik zu versetzen, allerdings musste sie die Notwendigkeit zur sofortigen Flucht einsehen. » Ihr marabout verfügt über enormen Einfluss«, fuhr er fort. » Schon seit Wochen zieht er predigend durchs Land, und mittlerweile sind die Krieger erfüllt von Hass auf alles Fremde. Glaube mir, Mirijam, in Mogador wird kein Stein auf dem anderen bleiben! Die Portugiesen und mit ihnen auch alle anderen Fremden werden niedergemacht!«
» Ich verstehe. Ja, ich verstehe, und ich glaube dir«, antwortete Mirijam schlicht. Ihr Verstand arbeitete wieder. » Wenngleich ich auch nicht weiß, woher du diese detaillierten Kenntnisse hast. Doch das ist jetzt einerlei. Der Abu und ich werden fliehen, das verspreche ich. Aber nicht zu Fuß und nicht in die Berge, das wird nicht möglich sein. Ich danke dir für dein Angebot, doch nun muss ich überlegen und zunächst meine Brandwunden versorgen.«
Damit hob sie ihr Gewand ein kleines Stück, und Cornelisz sah die
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