Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
eisenbeschlagenen Holzkisten, die die Männer bereits in den Packtaschen ihrer Esel verstauten, befand sich immerhin fast die Hälfte ihres gesamten Vermögens! Andererseits, wenn das Boot tatsächlich zu klein war für all die Kisten …? Sie musste sich rasch entscheiden. » Also gut. Dankt Aisha in meinem Namen. Und bestellt ihr … Sagt ihr, ich komme, sobald … Ach, sagt ihr einfach nur Dank.«
Wer garantierte, dass die Kisten tatsächlich bei Aisha ankamen? Ob sie jemals wieder in ihren Besitz kamen? Waren diese Nomaden wirklich rein zufällig und nur ihrer Wolle wegen in der Stadt? Was, wenn sie für die Sa’adier spionierten? Alles war möglich!
Als der Ruf des Muezzin zum letzten Nachtgebet verklungen war, verließen zwei ungewöhnliche Karawanen das Haus des angesehenen Arztes und seiner Tochter, der Purpurfärberin. Die eine bestand aus vier Eseln, beladen mit Packtaschen, die schwer gefüllt an beiden Seiten der Tiere fast bis zum Boden herabhingen und im Takt ihrer eiligen Schritte schwangen. Begleitet wurden die Lasttiere von Nomaden, deren Krummschwerter unter den dunklen Burnussen in der mondlosen Nacht nicht zu erkennen waren. Die Männer führten die Esel, so leise und schnell es ging, in die Oasengärten, wo sie alsbald zwischen den duftenden, dicht belaubten Feigenbäumen, den Granatapfelbüschen und Mandelbäumchen verschwanden. Jenseits der fruchtbaren Gärten würden sie in der einsam gelegenen Hütte der schwarzen Kräuterfrau ihre Lasten abladen, bevor sie zurück in die Berge zogen.
Die zweite Karawane war erheblich größer. Neben sieben bepackten Eseln und einigen Menschen, die sich unter ihren Kapuzen duckten, fiel besonders ein zweirädriger Lastkarren auf. In Kissen und Decken gehüllt ruhte ein alter Mann auf ihm, der den Blick über die nächtlichen Straßen, Durchgänge und leeren Plätze von Mogador schweifen ließ. Auch diese Gruppe bemühte sich um schnelles und möglichst leises Vorankommen auf ihrem Weg an der Festung vorüber zum Hafen, was aber nicht ganz gelang. Immer wieder erklang ein halblautes Kommando, eine gezischte Warnung oder eine leise Anrufung Allahs, wenn eine Ladung zu verrutschen drohte, eine Unebenheit auftauchte oder jemand in der Dunkelheit stolperte. Auch das Klatschen des Stocks auf der Flanke eines der Tiere oder ein gezischeltes » homar, homar«, um die Esel anzutreiben, waren zu hören. Deren geschäftige Trippelschritte hallten in den engen Gassen der Hafengegend wider. Sogar unterdrücktes Schluchzen drang aus der Mitte der kleinen Menschenschar, die Karren und Lasttieren folgte. Als im Türmchen der kleinen Festungskapelle in der Stille der Nacht weithin hörbar die Glocke schlug und Stimmen erklangen, verharrten alle. Niemand wagte einen weiteren Schritt. Doch es blieb ruhig hinter den Mauern der Portugiesen.
Im Hafen ging alles sehr schnell. Kisten und Bündel wurden auf das Deck des kleinen Küstenseglers gehievt, der im Schatten der Mauer bereitlag, dann hoben zwei Männer den Alten aus seinen Kissen, trugen ihn über eine Planke an Bord und legten ihn im Windschatten des niedrigen Aufbaus im Bug des Bootes nieder. Zum Schluss, während bereits das Segel gesetzt und die Ruder angelegt wurden, kamen zwei verhüllte Frauen und ein groß gewachsener Beduine über die schwankende Bohle an Bord. Nur einen Moment später tat sich ein Spalt zwischen Kaimauer und Schiffsrumpf auf, in dem schwarzes Wasser gluckste und gurgelte.
Im Dunkel der Nacht und direkt vor der Nase der portugiesischen Wachen, die nichts von alledem bemerkt hatten, verließ das hochbordige Fischerboot den Hafen von Mogador und nahm Kurs nach Süden.
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Mirijam fühlte sich, als befände sie sich nicht auf See, sondern in einem Labyrinth und quäle sich damit, den Ausgang zu finden, so unwirklich kamen ihr selbst in der Rückschau die Ereignisse des Tages vor. Zuerst das belauschte Gespräch zwischen Haditha und Hocine, dann die Verbrennungen und die Schmerzen, schließlich Cornelisz’ unerwartetes Erscheinen mitsamt seinen ungeheuerlichen Nachrichten, und schließlich die Fluchtvorbereitungen … Es war, als versuche jemand, ihr eine besonders wirre Geschichte zu erzählen.
Im Laufe der Jahre war Cornelisz für sie zu einem Traumbild geworden, und nun stand er auf einmal leibhaftig in ihrer Küche. Obwohl viele Jahre vergangen und sie doch wirklich keine Kinder mehr waren, kam es ihr so vor, als ob ihre innige Verbundenheit die Jahre überdauert habe. Konnte so etwas
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