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Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln

Titel: Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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Vergangenheit vor ihm, mehr noch, auf seltsame Weise schien ihn sein früheres Leben einzuholen. Das Kontor mit den hölzernen Schreibpulten, die unter dicken Journalen fast verschwanden, das glatt polierte, geschnitzte Eichenlaub an der Treppe des Elternhauses, die engen, nebelfeuchten Gassen und Straßen seiner Stadt: Zum Greifen nah wirbelten die Bilder vor seinem inneren Auge. Beim Anblick dieser jungen Frau drangen sie aus seinen Erinnerungen hervor und schnürten ihm die Kehle zu. Dabei hatte er alles vergessen wollen!
    Cornelisz seufzte. Trotz ihrer Jugend war Mirijam damals seine einzige wirkliche Vertraute gewesen. Sie hatte ihn unterstützt, hatte seinen Worten gelauscht, wenn er von seinem Herzenswunsch, Maler zu werden, sprach, und hatte stets zu ihm gehalten. Sie hatte ihn verstanden, und er erinnerte sich, welch wunderbares Gefühl ihm ihre vorbehaltlose Zustimmung gegeben hatte. Wie seltsam, dass sie beide an derselben Küste in einem völlig fremden Land lebten, nur zwei Tagesreisen voneinander entfernt, und doch nichts voneinander gewusst hatten. Nach Miguels Andeutungen hatte Mirijam schlimme Erlebnisse hinter sich, doch als sich die beiden kennenlernten, lebte sie schon lange in der Obhut dieses alten Arztes.
    Hatte es damals in Antwerpen nicht irgendwelche Gerüchte über einen Piratenüberfall gegeben, in den Mirijam und ihre Schwester verwickelt gewesen sein sollten? Er wusste es nicht mehr, das war alles so lange her.
    Der Lichtkegel einer abgeblendeten Laterne am Fuße des Mastes, die die Männer zur Orientierung auf dem überfüllten Deck angebracht hatten, wischte über Mirijams Gestalt. Sie wirkte immer noch wie betäubt.
    » Wie geht es dir?«
    » Ich weiß nicht … Und du? Wie kommst du eigentlich hierher?« Mirijam hob den Kopf, um ihn anzusehen. In der Dunkelheit erkannte er kaum die Konturen ihres Gesichts.
    Für sie mochte das Wiedersehen noch erschütternder gewesen sein als für ihn, überlegte Cornelisz. Immerhin hatte er sich bereits seit längerem an den Gedanken gewöhnen können, sie zu treffen, während es für sie aus dem Nichts gekommen war.
    » Bei unserer letzten Begegnung erzählte Miguel endlich von seiner Ehefrau mit Namen Mirijam van de Meulen. Du glaubst nicht, wie überrascht ich war! Er hatte damals eine eilige Ladung nach Salé bekommen und bat mich, dich aufzusuchen. Leider konnte ich nicht sofort kommen, das ging erst jetzt«, antwortete er. Bevor er seinerzeit nach Mogador aufbrechen konnte, hatte Sheïk Amir das Berberlager nach Süden verlegt. Dort, in der Wüste, trafen sich mehrere Stämme zu Verhandlungen, es gab ein Reiterfest, eine wilde fantasia, zu der Kamelreiter aus den Weiten der Sahara zusammenkamen und von der er einige großartige Szenen gemalt hatte. Das hatte er sich nicht entgehen lassen können.
    Außerdem, rechtfertigte er sich vor sich selbst, hätte er nicht allein aus dem Süden hierhergelangen können. Nicht nur, dass er in diesen Kriegszeiten als Fremder bei den Imazighen unter besonderer Beobachtung stand, auch der Weg wäre zu schwierig gewesen. So war er erst jetzt gemeinsam mit den Kriegern zur Küste geritten. Aber wenigstens hatte er Mirijam warnen können. Ziemlich knapp, das wusste er, aber doch gerade noch rechtzeitig. Das beruhigte sein Gewissen.
    » Woher kennst du Miguel?«
    » Von einer gemeinsamen Reise vor etlichen Jahren. Sie nahm ein schlimmes Ende, das Schiff ging unter. Aber Miguel rettete mir das Leben. Seitdem bin ich hier.«
    » Warst du jemals wieder in Antwerpen?«
    » Nein, nie.« Er spürte, dass Mirijam nickte. Sie hatte sich in den zurückliegenden Jahren verändert, vor allem war sie viel ernster und ruhiger als früher. Ob er sie überhaupt erkannt hätte, wenn sie sich irgendwo zufällig über den Weg gelaufen wären?
    Eigentlich, das wurde ihm jetzt klar, war sie ihm bis zu dem Tag, an dem Miguel von ihr sprach, gänzlich aus dem Gedächtnis entschwunden gewesen. Aber vielleicht konnte man an die alte Vertrautheit anschließen? Mirijam und ihr alter Ziehvater waren gebildete Menschen mit einem weiten Horizont. Das Leben unter den Männern des Sheïk hingegen war zwar interessant, aber auch anstrengend und auf Dauer eigentlich zu martialisch für seinen Geschmack.
    Außerdem war er es leid, sich stets vorsehen zu müssen, um nicht versehentlich Sîdi Mokhbar, ihrem angesehenen marabout, in die Quere zu kommen. Dessen Zorn auf alles Fremde schloss ihn natürlich ein, nicht zuletzt, weil er es wagte,

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