Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Man könnte ihn also bequem in mein Dorf bringen. Es ist zwar nur ein kleines Dorf, und meine Leute sind arme Fischer, aber das ist vielleicht gerade ein Glück, denn dort gibt es keine Fremden. Mein Vater wird Euch zu Ehren bestimmt gerne eine Ziege schlachten.« Sofort wurde Hassan losgeschickt, den Fischer aus Cadidjas Dorf zu suchen, dessen Boot im Hafen lag.
Mirijam hatte Mühe, einen klaren Kopf zu behalten. Zum wiederholten Male betrat sie die Küche und erneuerte die kühlenden Verbände. Cornelisz so plötzlich vor sich zu sehen, hatte sie völlig durcheinandergebracht. Auf einmal sah sie das Elternhaus am Koornmarkt vor sich, Vater Andrees und Muhme Gesa, und natürlich die arme Lucia … Ihr Kinderfreund brachte zahllose, lange vergessene Erinnerungen zurück, glückliche ebenso wie schmerzliche. Besonders ein Bild machte ihr zu schaffen: Cornelisz am Kai von Antwerpen. Mit zerzausten Haaren und atemlos von seinem schnellen Lauf hatte er von ihr Abschied genommen, hatte um einen Brief gebeten … Sieben Jahre waren seitdem vergangen! Es trieb ihr die Tränen in die Augen und schnürte ihr die Kehle zu, wenn sie an all das Schreckliche dachte, das auf ihre Abreise gefolgt war. Gleichzeitig aber freute sie sich so sehr über ihr Wiedersehen, dass sie unwillkürlich immer wieder lächeln musste.
Sie schüttelte energisch den Kopf. Eines wusste sie genau: Hätte sie nicht zuvor Haditha und Hocine belauscht, niemals hätte sie Cornelisz’ Warnungen geglaubt. So aber überdachte sie unablässig seine Worte, während sie zugleich Kisten, Truhen und Bündel zusammenpackte. Nur das Wichtigste, hatte Cornelisz ihr eingeschärft, und niemand durfte etwas bemerken. Wie sollte das gehen? Wem war unter den gegenwärtigen Umständen zu trauen?
Hassan, Hussein und Cadidja waren eingeweiht, ohne jedoch Details zu kennen, Haditha wusste natürlich nichts. Mit einem Vorwand hatte Mirijam die treulose Dienerin zur Purpurinsel geschickt. Nun konnte sie sich im Haus wenigstens frei bewegen.
Sie würden Mogador verlassen. Nur vorübergehend, tröstete sich Mirijam, bis sich die Lage beruhigt hatte. Sie legte die Hände auf ihren Leib und seufzte. Noch nie hatte sie Verantwortung als Last empfunden, stets war es ihr vorgekommen, als wachse ihr die notwendige Stärke in genau dem Augenblick zu, in dem sie sie benötigte. Jetzt allerdings, da sie alles zurücklassen musste und jede Anordnung allein zu treffen hatte, ob sie nun ihren Abu betraf oder das Haus, die Weberei oder die Färberei, musste sie um ihre Fassung ringen. Cornelisz war ihr keine Hilfe, meistens stand er eher im Weg.
Hatte sie alles erledigt? In Gedanken ging sie ihr Gepäck durch, dann überlegte sie noch einmal die wichtigsten Verfügungen. Sie rief Hocine in die Küche und erklärte ihm in knappen Worten die Lage. Hocine hielt die Augen gesenkt. » Es ist weise, nicht hierzubleiben, Lâlla Azîza. Ich werde die Arbeit weiterführen und alles so machen wie Ihr. Wenn Ihr zurückkommt, und mit Allahs Hilfe wird das schon bald geschehen, werdet Ihr nicht bemerken, dass Ihr eine Zeitlang nicht hier wart.« Ihm war kein Vorwurf für die religiösen Verirrungen seiner Frau zu machen, dachte Mirijam. Sie dankte ihm und schickte ihn fort.
Hussein wiederum erklärte sich eilig bereit, die Teppichmanufaktur am Laufen zu halten. Lediglich die Purpurfärberei musste stillgelegt werden. Niemand Fremdes würde Abu Alîs Rezeptur in die Finger kriegen! Auch ihn entließ sie mit einem Wort des Dankes.
Als Hassan die Küche betrat, warf sie ihm einen fragenden Blick zu. Der Vorarbeiter antwortete mit einem Kopfnicken. Er hatte den Fischer also gefunden. » Wollt Ihr etwa das alles mit an Bord nehmen?«, fragte er sodann und deutete auf die zum Abtransport bereitliegenden Ballen und Kisten.
» Ja.«
» Viel zu schwer«, meinte er. » Mohammeds Boot ist sehr klein.« Zwischen seinen schwieligen Händen deutete er an, wie winzig das Fischerboot war und wie wenig Platz zur Verfügung stehen würde. » Aber vielleicht gibt es eine Lösung, lasst mich nur machen.«
Kurz darauf kehrte er mit einigen Nomaden, die in der Stadt ihre Wolle abgeliefert hatten, zurück. Hassan kannte schon ihre Väter als ehrliche Männer und hatte sie verpflichtet, mit ihren Eseln vier von Mirijams schwersten Truhen zu Aisha zu transportieren. » Aisha ist Eure Freundin, sie wird gut darauf aufpassen«, erklärte er Mirijam.
Im ersten Moment war sie empört über seine Eigenmächtigkeit. In den
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