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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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in deren Schloss Rebecca einen großen Schlüssel schob. Bevor sie ihn jedoch herumdrehen konnte, wurde die Tür von einem halbwüchsigen Mädchen aufgerissen, dessen Wangen glühten. » Esther hat schon wieder meine …« Sie verstummte und starrte mit geweiteten Augen die Frau an, die den Arm ihrer Mutter umklammerte.
    » Später, mein Kind«, sagte Rebecca, berührte die Mesusa am rechten Türstock und küsste ihre Fingerspitzen, » zunächst müssen wir uns um unseren Gast kümmern.« Damit führte sie Sarah eine schmale Treppe hinauf in einen Salon, der auf den ersten Blick mit Tisch und Stühlen, zwei Sesseln und dunkelblauen Vorhängen geradezu wohlhabend wirkte. Schaute man allerdings genauer hin, erkannte man die durchgewetzten Polster und die verblichenen Stoffe.
    Die beiden Töchter Hannah und Esther drängten hinter ihnen in den Raum. Esther, die jüngere, hatte sich in den Finger gestochen und wollte getröstet werden, doch Rebecca hielt sich nicht damit auf. Auf der Liege im benachbarten Studierzimmer ihres Mannes richtete sie rasch ein Lager und brachte Sarah zu Bett.
    » Nun ruht Euch aus, meine Liebe. Zum Essen werde ich Euch wecken.« Damit nickte sie ihr aufmunternd zu, strich noch einmal über die Decke und zog die Tür hinter sich zu.
    Stille umgab sie, aber ihrer inneren Unruhe konnte das zunächst nicht abhelfen. Erst als sich wie von selbst ihre Hände unter der Decke um ihren Leib legten und Sarah eine zarte Bewegung im Inneren spürte, begann sich die Anspannung zu lösen. Schultern und Nacken lockerten sich, der Druck hinter den geschlossenen Lidern verging, und allmählich gelang es ihr, ihre Gedanken zu ordnen.
    Die Bilanz des Nachdenkens allerdings fiel erbärmlich aus. Wie gutgläubig sie gewesen war! Jedes Wort von Marino hatte sie für bare Münze genommen und sogar jene Worte und Beteuerungen geglaubt, die er lediglich in ihrer Phantasie gesagt hatte. Oder hatte er etwa ausgesprochen, dass er sie heiraten wollte? Natürlich nicht, was auch immer sie zu hören gemeint hatte. Ihre monatelange Reise hierher – ein Irrweg! Ein Seufzer entfuhr ihr.
    Wie sollte es weitergehen? Sie stand auf der Straße, hatte sogar Yasmîna verloren und war nun auf das Wohlwollen von verwahrlosten Kindern und anderen fremden Menschen angewiesen. Ja, sie war tief gesunken, doch das war nicht das Schlimmste, begriff sie plötzlich. Wenn sie alles, jede Selbsttäuschung und Rechtfertigung, beiseiteschob, erkannte sie, was sie in Wahrheit getan hatte. Sie hatte gelogen, hatte Eltern und Freunde hintergangen und ihr Vertrauen verraten. Leid, Sorgen und Angst hatte sie über ihre Liebsten gebracht und jede nur denkbare Schuld auf sich geladen . Sarah schlug die Hände vor das Gesicht.
    Lediglich einen winzigen Trost gab es: Zumindest kannten die Eltern nicht das gesamte Ausmaß ihrer Schlechtigkeit, da sie nichts von dem Kind wussten. Bei diesem Gedanken legte sich eine neue Last auf ihre Brust. Denn dieses Kind bedeutete, dass sie nicht nach Santa Cruz zurückkehren konnte, nie mehr, wenn sie die Eltern nicht bloßstellen wollte. Der gute Ruf bedeutete beiden viel. Wenigstens diese Schande konnte sie ihnen ersparen.
    Sarah presste ihre Fingernägel in die Innenseiten ihrer Hände, bis es schmerzte.
    *
    Vier magere, abgerissene Jungen unterschiedlichen Alters redeten gleichzeitig auf sie ein, kaum dass die Tür einen Spalt offen stand. Bettelvolk, dachte Yasmîna, die kein Wort verstand. Bei Allah, was sollte sie mit ihnen anfangen? Zuhause in Santa Cruz hätte sie etwas zu essen zusammengesucht, aber hier? Sie wollte die Tür schon wieder schließen, als der Älteste, der mit den abstehenden Ohren, laut und deutlich den Namen » Sarah« aussprach. Im gleichen Augenblick kam Bernardo aus dem Dunkel des Ganges angerannt, einen Knüppel in der Hand, und brüllte etwas von Diebsgesindel. Rasch schlüpfte Yasmîna zu den Jungen hinaus auf die Gasse. Der Kleinste fasste nach ihrer Hand, und gemeinsam liefen sie um die nächste Ecke.
    » Sarah? Wo ist sie?«, fragte Yasmîna, kaum dass alle zusammenstanden. Der Große mit den abstehenden Ohren deutete auf sie und fragte: » Bist du Yasmîna, die Afrikanerin?« » Na’am, ouacha «, bestätigte sie und nickte, obgleich sie in der Aufregung nichts als ihren Namen verstanden hatte. » Wo ist Lâlla Sarah?«
    Erneut redeten alle gleichzeitig, bis der Kleinste ihnen mit erhobenen Händen Einhalt gebot. Er zupfte an Yasmînas Kleid, bis er ihrer Aufmerksamkeit gewiss sein

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