Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
nie mehr wieder aus den Augen, Lâlla Sarah, das kannst du glauben!«
Strahlend und mit tränenfeuchten Augen umarmten sich die beiden jungen Frauen. » Emmanuele und der kleine Filippo warten unten, sie haben eine Unterkunft gefunden. Ach, ich bin so froh, insha’allah wird jetzt doch alles gut!«
*
Emmanuele führte Sarah durch enge Gassen, über mehrere Brücken und einen campiello, bis sie in einer dämmrigen Wirtsstube mit niedriger Decke und langen Tischen und Bänken anlangten. Ohne sich zu vergewissern, ob sie ihm folgte, durchquerte er die Schenke, ging an der Tür zum Abtritt draußen im Hof vorbei und über die Stiege des Anbaus bis zu einer stabilen Tür. Dahinter tat sich eine Kammer auf mit einer Bettstatt mit einem alten Strohsack, ein paar Haken an der Innenseite der Tür, einem Tisch, der sich an die Wand unter dem Fenster lehnte, da eines seiner Beine fehlte, und einem Stuhl mit wackeliger Lehne.
Sarah blickte sich um und schlang, als suche sie Schutz bei sich selbst, die Arme um den Leib. Dies sollte ihr neues Zuhause sein? Trotz des Dämmerlichts war der Dreck nicht zu übersehen, der alles im Raum – Möbel, Fenster, Wände und Boden – bedeckte. Immerhin konnte man die Tür von innen verriegeln, und außerdem war es warm, da die Kammer direkt über der Küche lag und eine ihrer Wände zum Kamin gehörte.
Auch Emmanuele schaute sich um, dann hob er die Öllampe in die Höhe und stampfte ein paar Mal kräftig mit dem Fuß auf. Ein Schatten flitzte durch den Raum und verschwand in einer Wandritze.
» Was war das?«
» Eine Ratte. Wir müssen das Loch verschließen, damit du vor ihnen Ruhe hast. Außerdem brauchst du einen Tisch, der nicht umfällt, und einen Stuhl, auf dem du gefahrlos sitzen kannst. Aber sonst? Für den Preis ist es in Ordnung, und den kannst du dir dank des alten Jacopo leisten. Vielleicht müsste man mal saubermachen, aber ich denke, dann kann es einem hier gefallen.«
» Oh. Ich …« Noch einmal ließ Sarah ihren Blick rundherumgehen, dann gab sie sich einen Ruck. » Doch, ja, es wird schon gehen.«
In der offenen Tür tauchte die Wirtin auf, eine überarbeitete Frau mit strähnigen Haaren, die ihre rissigen Hände an der Schürze abtrocknete, bevor sie sie fordernd ausstreckte: » Vorauszahlung, sagte ich. Und das eine merkt euch: Diese Kammer wird nicht stundenweise vermietet!«
Sarah zuckte zusammen. Dann aber trat sie auf die Wirtin zu und hielt ihr die Hand entgegen: » Mein Name ist Sarah. Habt Ihr etwas, womit ich das Rattenloch dort in der Ecke verstopfen kann? Außerdem brauche ich Wasser, um das Fenster zu putzen und den Boden zu wischen. Und wenn es geht, hätte ich gern ein sauberes Laken für den Strohsack.«
» Ach, na so was, das hättet Ihr gern, ja? Haben Eure Hoheit vielleicht noch weitere Wünsche?« Die Wirtin hob die Hände zum Himmel und rollte die Augen. » Emmanuele, wen hast du mir da ins Haus geschleppt? Frische Laken, geputzte Fenster – was denn noch? Vielleicht samtene Vorhänge?« Damit stemmte sie die Arme in die Seiten, schob das Kinn vor und starrte Sarah ins Gesicht.
Sie war noch nicht alt, doch ihre von billigem Wein und dem ständigen Rauch am Küchenkamin rotgeränderten Augen, die vorzeitig ergrauten Haare über der gefurchten Stirn, besonders aber ihre herabhängenden Mundwinkel erweckten den Eindruck, als stünde sie am Ende ihres Lebens.
» Signorina Sarah ist ebenso wenig eine Hoheit wie du, Gabriella, aber da du schon fragst: Der Wind bläst durch deine morschen Fenster, da wäre ein Vorhang tatsächlich nicht schlecht. Und neugierige Blicke würde er auch abhalten. Außerdem muss der Tisch repariert werden, das siehst du ja selbst. Signorina Sarah benötigt ihn für ihre Arbeit. Hier, die Miete für zwei Wochen.« Damit legte der schlacksige Emmanuele einige soldi in Gabriellas Hand.
Einen kurzen Augenblick kreuzten sich die Blicke der drei, dann hängte Sarah ihren Perlenbeutel an einen der Türhaken, schob die Ärmel hinauf und ging zur Treppe. » Ich werde mir am besten gleich Wasser holen und mit dem Putzen beginnen, solange es noch hell genug ist. Wenn Yasmîna später meine Sachen bringt, möchte ich damit fertig sein. Habt Ihr eine Schürze für mich, Monna Gabriella? Dies ist ein geborgtes Kleid, und ich will es nicht verderben.«
» Was denn noch? Habt Ihr keine eigenen Kleider?«
» Doch, natürlich, die aber werden im Moment als Muster für meine Stickereimanufaktur benötigt. Eine Freundin stellt sie
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