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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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entspannen. Ihr Kind wollte ans Licht der Welt. Sarah fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen, Freude und Angst.
    Die Pausen zwischen den Wehen wurden immer kürzer. Yasmîna hielt ihr die Hände und verzog kaum das Gesicht, wenn Sarah sie unter dem Schmerz fast zerquetschte. Tag oder Nacht, Wärme oder der kühle Nachthauch, der durch das gelegentlich geöffnete Fenster hereinstrich, Dämmerschein oder gleißende Helligkeit: Allmählich nahm Sarah nichts mehr davon wahr. Sie stöhnte und schrie, sie fluchte, schluchzte und weinte. Es gab nichts außer diesem sich stetig steigernden Schmerz, der in immer kürzeren Abständen kam und sie von innen bedrängte und zerriss.
    » So, meine Liebe«, hörte sie Rebeccas Stimme irgendwann sagen, » es geht los. Beim nächsten Mal musst du pressen. Gleich hast du es geschafft.« Mit einem Rest ihrer Willenskraft gelang es Sarah, die Augen zu öffnen. Rebecca nickte ihr aufmunternd zu. » Du machst das sehr gut.«
    Dann kamen die stärksten Wehen, forderten ihren Körper zum Mitmachen auf, und Sarah presste Wehe um Wehe ihr Kind heraus. Sie spürte, wie es aus ihr herausglitt, langsam, zögernd fast, und wie zugleich aller Schmerz verging. Von einem Augenblick zum nächsten konnte sich Sarah die gerade eben noch erlebten gewaltigen Qualen kaum mehr vorstellen, stattdessen fühlte sie sich von einer Woge des Glücks durchströmt. Sie hob den Kopf.
    » Ein Mädchen«, lächelte Rebecca. » Ein schönes, gesundes Kind.« Das Kind stieß einen Schrei aus.
    Sarah starrte auf das kleine Wesen, sie lachte und weinte gleichzeitig und konnte kein Wort herausbringen. Sobald sie es in ihren Armen hielt, die winzigen Fäustchen betrachtete, das gerötete Gesichtchen und den dunklen Haarflaum, löste sich ihre Anspannung. Das Neugeborene schmatzte, es suchte bereits nach der mütterlichen Brust, und während es den Kopf drehte, öffnete es die Augen. Ein dunkles und ein blaues Auge blinzelten in die Welt.
    » Seht doch nur: Sie hat verschiedenfarbige Augen! Wunderschön, wie glänzende Perlen!« Sarah konnte ihren Blick nicht von dem Neugeborenen wenden.
    Rebecca lachte. » Wirklich? Wie extravagant. Nun, so ist das eben mit Venezianerinnen!« Ernster fuhr sie fort: » Masel tov, der Ewige sei stets an ihrer Seite und auch an der deinen, Sarah. Sie ist wirklich wunderschön, und ich glaube, sie sieht dir ähnlich. Welchen Namen willst du ihr geben?«
    Vorsichtig küsste Sarah das Köpfchen des Kindes, dann blickte sie mit einem strahlenden Lächeln auf.
    » Margali. Ja, sie soll Margali heißen, das bedeutet Perle. Willkommen, meine süße kleine Perle.«

4. Teil – SIJILMASSA

37
    April 1549
    Nur noch zwei Tage, dann kamen die heimatlichen Gefilde in Sicht, insha’allah. Seit den frühesten Morgenstunden bewegte sich die Karawane in gewohntem Rhythmus auf ihrer uralten Route. Saïd prüfte die kaum sichtbaren Anhaltspunkte, dann verloren sich seine Blicke erneut in den Weiten des Horizonts. Sie folgten den Schatten, die über die Steinebene und Sandhügel krochen. Jetzt, da der Abend näher rückte, legten sie sich schwarz in die Dünentäler, und die Wüste begann sich zu entfärben. Was wohl Sarah dazu gesagt hätte?
    Immer wieder, wenn er etwas Ungewöhnliches oder besonders Schönes sah, kam ihm diese Frage in den Sinn: Was würde Sarah dazu sagen?
    Sie schien ihm gebildet, feinfühlig, dabei ungewöhnlich mutig und klug zu sein, wenn auch ziemlich unbedacht. Mehr noch, sie erschien ihm als ein Sinnbild weiblicher Kraft, seitdem er wusste, dass sie ein Kind in sich trug. Das Kind des Mannes, den sie sich frei erwählt hatte … Sie hatte ihre Wahl getroffen, wie die masirischen Frauen früherer Zeiten, die noch im Einklang mit Natur und Mythen gelebt hatten, bevor sich die Lehren des Propheten Mohammed unter ihnen verbreitet hatten. Wie jene unabhängigen Frauen der Vergangenheit ließ auch Sarah sich weder aufhalten noch beeinflussen, im Gegenteil, sie nahm sogar die Strapazen einer gefahrvollen Reise auf sich, um ihr Ziel zu erreichen.
    Doch es war müßig, sich damit zu quälen, was sie zu diesem oder jenem Anblick gesagt hätte, er musste sie sich aus dem Kopf schlagen. Wie aber sollte er seine Gedanken zügeln? Sie widersetzten sich seinem Willen. Immer wieder flatterten sie davon wie Vogelschwärme, stiegen auf und zogen Kreise, nur, um schließlich doch wieder bei ihr zu landen.
    Ohne sein Zutun griff seine Hand nach dem kleinen Lederbeutel unter seinem

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