Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Steinebenen hinter ihnen lag, würden sie den nächsten Brunnen erreichen. Und in wenigen Tagen waren sie zurück in Sijilmassa.
Anders als bei früheren Reisen freute er sich diesmal allerdings nicht auf die Heimkehr, im Gegenteil. Nicht Brahim würde ihn erwarten, sondern Hussein. Unwillkürlich seufzte er. Seit ihrem Aufbruch vor beinahe vier Monden fühlte er sich, als zöge er unentwegt über fech-fech, den gefürchteten Treibsand.
Abdallah setzte sich zu ihm. Er schob trockene Äste ins Feuer, so dass Funken aufstoben, dann schlang er seine Arme um die angezogenen Knie. » Wenn es doch immer so friedlich wäre. Unser Land könnte zu einem mächtigen Reich aufblühen, wenn die Fehde zwischen Sultan Muhammad und seinem Bruder endlich endete. Wie aber wird Sultan Ahmad reagieren, wenn sich die Gerüchte bewahrheiten sollten, dass Sultan Muhammad seinen Einflussbereich bis zum Niger ausdehnen will?«, überlegte er.
Saïd antwortete nicht. Hatte er überhaupt zugehört?
Manchmal hatte Abdallah den Eindruck, dass Saïd erst aus großer Ferne zu ihnen zurückkehren musste, wenn es etwas zu entscheiden galt. Im Moment hatte er nicht viel Ähnlichkeit mit dem erfahrenen khrebir, dem Karawanenführer von früher. Abdallah schob die dürren Zweige tiefer ins Feuer.
Die Feindschaft zwischen den beiden Sultanen hatte er nicht zufällig zur Sprache gebracht. Insgeheim hatte er gehofft, mit diesem Thema die Gedanken seines jungen Herrn darauf zu lenken, was vor ihnen lag.
Nach dem Tod des alten Sultans vor beinahe dreißig Jahren hatten dessen beide Söhne Ahmad und Muhammad zunächst ein gemeinsames Ziel verfolgt, nämlich den Kampf gegen die Portugiesen. Kaum jedoch waren diese verjagt, hatten sie sich – wie alle ihre Vorgänger, fast als handele es sich dabei um ein Lebensgesetz der Masiren – entzweit.
Während Sultan Ahmad im Norden mit Unterstützung seines Onkels, Abu Hassun, und der Osmanen sein eigenes Reich anstrebte, lehnte Sultan Muhammad jegliche Fremdherrschaft kategorisch ab. » Kann oder will Ahmad nicht erkennen, dass auch die Türken Fremde sind und dass es ihnen ausschließlich um die Ausdehnung ihres osmanischen Herrschaftsgebietes geht?«, hatte er seinen Sheïks zugerufen. Er jedenfalls würde seinen stolzen Stämmen nicht erneut Unfreiheit und Bevormundung zumuten, obwohl es sich diesmal – anders als zur Zeit der Portugiesen – bei den Osmanen immerhin um Anhänger des Propheten handelte. Sultan Muhammad durchschaute und bekämpfte die Osmanen, wo es ging.
Allerdings standen ihm statt ausgebildeter Söldner, wie sie seinem Bruder beistanden, nur masirische Krieger zur Seite. Die aber liebten ihre Unabhängigkeit und waren höchstens zu vorübergehenden Bündnissen bereit. Und während sie sich um ihre gewohnten Belange kümmerten, sickerten die Osmanen ungehindert in den Süden ein, wie sie im vergangenen Jahr am eigenen Leib erfahren hatten. Wohin sollte das führen?
Abdallah senkte den Kopf. Ihm war das Herz schwer, Saïd aber verschloss sich geradezu vor genaueren Überlegungen. Er grübelte seit Brahims Tod eindeutig zu viel. Natürlich bedeutete dessen Tod einen großen Verlust, nicht nur für die Familie, deren inneres Gleichgewicht seitdem in Frage stand. Auch die Menschen der Region, denen der älteste der drei Aït-el-Amin-Brüder ein gerechter Anführer gewesen war, waren verunsichert. Und da sie bereits in wenigen Tagen Sijilmassa erreichen würden, wurde es höchste Zeit, sich endlich mit Husseins unangemessenem Verhalten zu befassen.
Brahim, der älteste der drei Halbbrüder, hatte sich regelmäßig mit den Stammesführern abgestimmt, und gemeinsam hatten sie Sultan Muhammad in Taroudant unterstützt. Hussein hingegen hielt sich nicht nur nicht an diese Absprachen, er ließ sich sogar mit den Gegnern ein. Bedachte er denn nicht, dass er dadurch den fernen Bruderzwist ins eigene Haus holte, oder war ihm das etwa gleichgültig, womöglich gar willkommen?
Saïd hatte sich bisher nicht dafür interessiert, aber Abdallah wusste, dass es bereits vor der Abreise der Karawane in der großen Flussoase gebrodelt hatte.
Seit alters her verließen sich die Sheïks auf das Urteil des amghar von Sijilmassa. Er schlichtete nicht nur Händel und hielt Gericht, seine großen Karawanen schafften zudem Waren heran, und unter seinem Schutz schufen Handwerker wahre Wunderwerke, und der Handel mit den Kaufleuten von jenseits des Mittelmeers blühte. So war es nur natürlich, dass sie zunächst
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