Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
gerne die Regierungsgeschäfte. Ach ja, mein Bruder …«
Der Sultan seufzte. » Inzwischen sind wir uns nicht nur fremd geworden, wir sind verfeindet. Wenn ein Mann weiß, wie schrecklich das ist, so bist es wohl du, mein Sohn. Auch du nennst einen Mann ›Bruder‹, der zu deinem Widersacher geworden ist, daher bin ich sicher, dein Herz ist ebenso schwer wie meines. Nun, lassen wir das.« Der Sultan verstummte.
Die beiden Männer, der junge, kraftvolle Berber, der seinen Schritt verlangsamen musste, und der alte, bereits leicht gebeugte Sultan schritten nebeneinander unter den hohen Bäumen und hingen ihren Gedanken nach. Es waren trübe Gedanken. Immer wieder schüttelte Sultan Muhammad den Kopf, und sein Blick verlor sich in die Ferne.
Saïd konnte den Schmerz des Sultans nachfühlen, von seinem Ziel aber sollte ihn dennoch nichts abbringen. Er wartete, ob der Sultan noch etwas hinzufügen würde. Als sich die Pause jedoch ausdehnte, fragte er: » Du hast davon gehört, dass die Osmanen seit geraumer Zeit bis weit in den Süden vordringen?«
» Ouacha, auch wir haben unsere Späher. Sie berichten, es handele sich um kleine Einheiten, beweglich und schnell und eifrig darum bemüht, den Eindruck von Stärke zu verbreiten. Doch das ist nur Schein.« Der Sultan legte die Hand auf Saïds Arm. » Verstehst du?«
Saïd schüttelte den Kopf. Der Sultan schaute nach dem Sonnenstand. » Es wird Zeit für mich, dennoch will ich versuchen, es dir zu erklären.« Er hob den kleinen Finger. » Abu Hassun und mein Bruder betteln überall um militärische Unterstützung, bei den Spaniern, den Portugiesen, vor allem aber in Konstantinopel. Dennoch ist ihre Armee längst nicht so groß, wie es scheint. Zudem besteht sie aus einem Haufen von Söldnern aus aller Herren Länder, die für Geld kämpfen.« Er umfasste den Ringfinger, um weiter aufzuzählen. » Der Sultan in Konstantinopel hat zwar Truppen geschickt, allerdings nicht seine besten, und natürlich auch nicht aus Güte oder Freundschaft.« Der dritte Finger folgte. » Für ihn kommt die Bitte um Beistand einer Einladung gleich. Er wird denken, hier bietet man ihm die Ausdehnung seines Reiches nach Westen auf einem Silbertablett. Darüber scheinen sich Abu Hassun und Sultan Ahmad nicht klar zu sein.«
Sultan Muhammad legte beide Hände auf sein Herz. » Wir aber haben im Gegensatz dazu Männer an unserer Seite, die aus Überzeugung kämpfen, die mit dem Herzen bei der Sache sind, Krieger, denen es ein Anliegen ist, Féz und seine Einwohner aus der osmanischen Knechtschaft zu befreien. Mit Allahs Hilfe wird das bald gelingen. Der größte Teil meiner Soldaten wurde bereits nach Norden verlegt. Seit Wochen schon ziehen sie unauffällig und in kleinen Gruppen, getarnt als Bauern oder Händler, in Richtung Féz. So schöpft niemand Verdacht. Ich werde ebenfalls noch heute aufbrechen, und zwar mit umfangreichem Tross und in aller Öffentlichkeit, und werde den Rest der Armee nach Norden führen. Dies ist mein Plan, und dafür benötige ich sämtliche Soldaten. Verstehst du jetzt?«
Saïd nickte bedächtig. » Ich verstehe«, sagte er. Und das tat er tatsächlich, zumal ihm bewusst war, wie sehr der Sultan ihn ehrte, indem er ihn derart ins Vertrauen zog. Zugleich aber kreisten seine Gedanken hartnäckig um sein eigenes Ziel.
» Verzeih, mein Sultan, aber eines verstehe ich dennoch nicht: Was nützt dir ein befreites Féz und ein geeintes Reich, wenn in dessen südlicher Flanke ein giftiger Pfeil steckt?«
» Ah, ich erkenne deinen Vater in dir, Saïd el-Amin, du denkst schnell wie er«, lobte der Sultan, und zum ersten Mal lächelte er. » Höre also weiter. Während ich nach Norden aufbreche und dabei viel Getöse veranstalte, werden die Osmanen, die sich in der Gegend verbergen, davon erfahren. Sie werden denken, meine Hauptarmee sei unterwegs, und versuchen, uns zuvorzukommen. Schließlich wissen ihre Anführer, wie ihre eigene Kampfkraft einzuschätzen ist, nämlich nicht gerade vielversprechend. Sie werden also nach Féz eilen, um bei der Verteidigung der Stadt zu helfen. Und hier nun kommst du ins Spiel.«
Sultan Muhammad blieb stehen und legte seine Hand auf Saïds Arm. » Als Sohn der Aït el-Amin ist es deine Bestimmung, den Süden zu befreien. Während wir nach Norden ziehen und kämpfen, sorgen wir zugleich für Verwirrung. Die Nachrichten nach Sijilmassa werden behindert und verfälscht, so dass sich die Osmanen nicht mehr auskennen und nicht begreifen, was
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