Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Morgenmahl empfehlen könnt, junger Sheïk?« Während sich der Sultan entfernte, trat Miguel de Álvarez näher. Er lächelte freundlich. » Und wollt Ihr mir nicht Gesellschaft leisten? Während der Sultan seine Abreise vorbereitet und wir etwas für unser leibliches Wohl tun, könnt Ihr vielleicht meinen Wissensdurst über diese sagenhaften Karawanenschätze stillen. Darüber erzählt man sich ja Wunderdinge! So etwas interessiert mich als alten Handelsmann, wie Ihr Euch denken könnt.«
Die dunklen Augen des jungen Mannes, der einzige Teil seines Gesichtes, der nicht von einem Tuch verdeckt wurde, ruhten nachdenklich auf ihm. Er antwortete nicht.
Miguel wischte den Schweiß von der Stirn. Hier, mitten im Land und weitab von jeder Meeresbrise, brannte die Sonne besonders unbarmherzig, fand er. Außerdem quälte ihn dieser verdammte Kamelbiss am Bein. » Essen muss jeder«, drängte er. » Gebt mir also die Ehre.«
» Vergebung, Kapitän Álvarez, doch auch ich muss aufbrechen«, antwortete der Sheïk. Offenbar hatte er seinen Gleichmut wiedergefunden, denn er sprach ruhig, anders als vorhin vor den versammelten Beratern. » Ihr habt gehört, dass meine Heimatstadt leidet. Wenn er will, wird Allah uns zu ruhigeren Zeiten erneut zusammenführen. Eine Frage allerdings habe ich, und ich bitte Euch, meine Neugier zu verzeihen. Welche Art von Geschäften führen einen Kapitän wie Euch von Santa Cruz nach Taroudant?«
» Ich wünschte, es wären Geschäfte, junger Mann«, antwortete Miguel. » Doch leider handelt es sich um die elenden Korsaren und ihre Seeräuberei. Sie lauern entlang der Küste und hindern mich und andere daran, unseren Geschäften nachzugehen.« Er stöhnte und umfasste sein Bein. » Ich glaube, ich sollte einen medicus aufsuchen«, rief er mit schmerzverzerrtem Gesicht. » Ihr lacht mich wahrscheinlich aus, aber mein Kamel hat mich gebissen.«
Einer der Sheïks aus dem Tal des Draá näherte sich den beiden und machte Saïd ein Zeichen. Dieser wandte sich zum Gehen. Über die Schulter gewandt, riet er dem Kapitän: » Lasst Euch Umschläge machen, mit Kamelbissen ist nicht zu spaßen. Auf dem Souq wird man Euch gewiss helfen, außerdem werdet Ihr dort auch eine Mahlzeit bekommen. Allah sei mit Euch, Kapitän Álvarez.«
46
Amina schlug die Bahn aus dicht gewebtem Ziegenhaar beiseite, die das Innere vor Wind und Sand schützte, duckte sich und trat in das Halbdunkel des Beduinenzeltes. Die Familie von Abu Selim besaß ein Langzelt, dessen Dach und Wände aus aneinandergenähten Webbahnen bestand. Durch altersglatte, mit geheimnisvollen Schutzzeichen und Ornamenten bemalte Pfosten wurden die Deckenbahnen gestützt, und gespannte Seile brachten die Wände in Form. In der Mitte trennte ein von einer Querstrebe herabhängender Teppich das Zelt in einen offiziellen und den Männern vorbehaltenen Bereich und in einen für die Frauen. Auf dem Sandboden lagen gewebte Grasmatten, und im hinteren Teil lagerten Holztruhen mit dem Besitz der Frauen, Kleidung und Decken sowie Stapel von Kissen und Teppichen. Allerlei Hausrat hing an den Pfosten und Stangen, daneben standen Beutel mit Hirse, Zucker, Reis und anderen Vorräten. Die Seiten des Zeltes waren, anders als im Männerbereich, bis zum Boden herabgelassen, dennoch trug der unablässige Wind kleine Sandhäufchen im Inneren zusammen.
Unauffällig und auf verschlungenen Wegen hatten Abdul und Omar sie hierher geleitet, und mit Freuden hatte die Familie Nurzah und Fatiha und besonders Brahims Töchter bei sich aufgenommen. Abu Selim schwor beim lebenspendenden Regen, sie zu schützen, und das, obwohl sie als Flüchtlinge mit leeren Händen gekommen waren. Im Gegenteil, seine Mutter hatte jeder von ihnen rasch ein Amulett ans Gewand geheftet, als Schutz gegen die Dschinn, denn nicht einmal dies konnten die Frauen vorweisen.
Seit Wochen lebten sie nun schon fern ihrer vertrauten Welt in der Weite der Dünen. Für heute wurde Abdallahs Besuch erwartet. Er würde sie mit Vorräten und Neuigkeiten versorgen und sich mit Nurzah beraten.
Im Zelt roch es säuerlich nach frischem Brotteig und Kamelbutter, deren Herstellung Sache von Selims alter Mutter war. Während der kühlen Morgenstunden hatte sie die fette Milch der beiden Kamelstuten, die sich die Familie mit den Fohlen teilte, in ihrem enthaarten Ziegenbalg durch unentwegtes Schütteln in einen cremigen Butterbrei verwandelt.
Amina prüfte die in Sauermilch liegenden Fleischbrocken eines alten Schafes,
Weitere Kostenlose Bücher