Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
dann Gnade ihm Gott!
Überall in der Stadt gab es neuerdings diese widerwärtigen bocche di leone, diese Briefkästen, in die jeder Wichtigtuer und dahergelaufene Emporkömmling seine Verleumdungen und anonymen Anzeigen einwerfen konnte. Allerdings war es wahrscheinlich schon immer so gewesen: Was drei Venezianer wussten, das wusste auch der Rat der Zehn.
Zum Glück hatte er sich inzwischen diese neue Möglichkeit auf den Inseln vor Apulien geschaffen. Nun fehlte nicht mehr viel, dann würde seine Familie wie Phönix aus der Asche steigen. Es wäre doch gelacht, wenn es ihm nicht binnen kurzer Zeit gelänge, mit den Purpurschnecken ein glänzendes neues Kapitel in der Familiengeschichte aufzuschlagen. Mit ein wenig diplomatischem Geschick sollte das lukrative Rezept bald ihm gehören, denn mit dem hübschen Töchterlein der Purpurfärberin würde er leichtes Spiel haben. Diese Perspektive gefiel ihm, und nach einem letzten Blick drehte Capello seinem Spiegelbild den Rücken.
So akkurat seine militärische Erscheinung auch sein mochte, die Kajüte war vollgestopft mit einem wahren Sammelsurium: Neben zwei Gemälden, die an der Wand lehnten, waren das natürlich Seekarten und nautische Geräte, daneben ein paar Masken, die auf Tischen und Truhen lagen. Besonders ärgerten ihn die leeren Weinflaschen sowie der Waschzuber mit dem dreckigen Wasser. Dazu lag überall Kleidung herum, auf dem Boden, dem Tisch und über dem geschnitzten Sessel, hier ein Umhang, dort ein Hemd und auf dem Boden Beinkleider, Schuhe und Stiefel. Was fiel diesem Holzkopf von Diener eigentlich ein, ihn in einem Schweinestall hausen zu lassen?
» Vincenzo, prest o !«, brüllte er.
Die Tür flog auf.
» Ich gehe an Land«, sagte er mit trügerisch sanfter Stimme. » Und wenn ich zurückkomme, ist dieser Raum benissimo aufgeräumt und so sauber, dass man vom Boden essen könnte, verstanden? Falls nicht, so lass mich dich in aller Freundschaft darauf hinweisen, dass für kräftige weiße Sklaven hierzulande enorm hohe Preise gezahlt werden!«
*
Natürlich konnte Sarah reiten. Sie war zwar keine besonders geübte Reiterin, aber immerhin doch so versiert, dass sie die Strecke zwischen Santa Cruz und Mogador nicht in einer Sänfte zurücklegen musste. Dennoch taten der Kapitän und sie in stillem Einvernehmen so, als ginge es bei ihren Ausritten, die sie seit einigen Tagen regelmäßig unternahmen, ausschließlich um die Verbesserung ihrer Reitkünste. Heute wollte Sarah dem Kapitän das andere Ende der Bucht zeigen und den alten Baumriesen, der dort seit Menschengedenken stand. Es war ein rätselhafter Ort. Seit undenklichen Zeiten wanderten Frauen dorthin, banden bunte Tücher und Bänder an die Zweige, beteten und baten um Gesundheit oder um Kinder.
Capello half Sarah beim Absteigen. Statt sie jedoch gleich loszulassen, legte er seine Arme um sie und zog sie an sich. Er neigte den Kopf und küsste ihr Haar.
Sarah erstarrte. Einen Moment lang glaubte sie, ihr Herz würde stillstehen. Ihr Atem beschleunigte sich. » Was tut Ihr?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
Er legte die Hand unter ihr Kinn. » Was ich tue? Seitdem ich dich im Hafen zum ersten Mal sah, gehst du mir nicht mehr aus dem Sinn. Spürst du es denn nicht ebenfalls? Weißt du nicht, dass mich das Schicksal hierhergeführt hat? Ich jedenfalls bin mir dessen sicher.« Er drückte sie an sich.
Also dachte er wie sie, jubelte es in ihr. Nicht irgendein banaler Zufall hatte ihn zu ihr geleitet, sondern Fügung. Sie hob die Hände, um ihn von sich wegzuschieben, wie es sich gehört hätte, doch die Kraft schien sie verlassen zu haben. Fast gegen ihren Willen sank sie an seine Brust und spürte das kräftige Schlagen seines Herzens.
Ihre Wimpern zitterten, als er zunächst behutsam, dann voll Leidenschaft ihre Lippen küsste. Er lachte leise, während er sanft ihre Augen küsste, die Nase, die Brauen, das Kinn und das Grübchen am Hals . Jeden Teil ihres Gesichtes küsste er.
» Schau mich an.« Gedämpfte, weiche Worte, die er ihr ins Ohr hauchte, doch bei aller Sanftheit klangen sie wie ein Befehl.
Und Sarah schaute ihn an. Fasziniert betrachtete sie seine markanten Züge, seine strahlenden, dunklen Augen mit den langen Wimpern, den ausdrucksvollen Mund und das ausgeprägte Kinn. Ein schwacher, fremdartiger Geruch stieg ihr in die Nase.
» Weißt du eigentlich, wie wunderschön du bist?«, sagte er lächelnd. Mit einer Hand umfasste er ihre Schultern, mit der anderen hielt er
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