Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
sich in kleinen Gruppen durch die Stadt und greifen einmal dieses Lager, ein andermal das andere an. Ziel ist es, die Osmanen glauben zu machen, es mit einer riesigen Armee zu tun zu haben, die imstande ist, überall zugleich zu kämpfen. Das wird sie letzten Endes zur Flucht aus der Stadt bewegen. Danach werden wir sie verfolgen und Sultan Muhammad im Norden in die Arme treiben.«
» Baraka Allah u fiq, das klingt gut«, sagte Abdallah. Er war mehr als froh, Saïd gesund und derart voller Tatendrang zu erleben, und erleichtert, die Verantwortung an den jungen Sheïk zurückgeben zu können.
» Ein klarer, einleuchtender Plan«, meinten auch die anderen, und ihre Augen leuchteten.
Endlich fand Abdul Gelegenheit, aus der Kasbah zu berichten. Zu Saïds Beruhigung befanden sich seine Mutter und die Mädchen weit weg bei Beduinen und somit in Sicherheit. Lâlla Malika herrschte indessen unangefochten über die Bewohner der Burg. Auf ihren Befehl hin hatte man die Wertsachen der gesamten Familie, darunter auch die von Brahims Familie und seine eigenen, in Reisekisten und Bündeln gepackt und zur Abreise bereitgestellt. Jeden Tag konnte es losgehen mit der Reise nach Féz. Hussein traf sich weiterhin regelmäßig mit dem Imam und den Hauptleuten der Osmanen, um den Bau der geplanten Unterkünfte und der beiden neuen Marktplätze auf den Weg zu bringen.
Langsam ließ die Kraft der Sonne nach. Als sich die ersten, noch kurzen Schatten über den Hof legten, wuchs die Spannung.
*
Lange bevor sie das letzte Bündel ihrer Zwiebeln verkauft hatten, verließen die Marktleute aus der Umgebung die Stadt, und noch bevor die Dämmerung heraufzog, schloss ein Laden nach dem anderen. Die Straßen leerten sich, sogar an Haustüren und Hoftoren, die man sonst erst nach dem letzten Nachtgebet versperrte, wurden heute schon früh die Riegel vorgelegt. Jeder, der mit den Gepflogenheiten in der Stadt vertraut war, spürte die unterschwellige Spannung über den Häusern, Gassen und Plätzen von Sijilmassa.
Mit Anbruch der Nacht trafen Sîdi Latif und seine Männer ein. Von drei Seiten und in Gruppen zu je ungefähr siebzig Reitern stiegen sie an den vorgesehenen Stellen zum tief liegenden Flusstal mit der riesigen Oase ab, wo sie ihre Pferde und Kamele zurückließen. Saïd und der Hauptmann trafen letzte Absprachen. Kurz darauf ordneten sich die Männer zu kleinen Trupps, schlüpften unter der Führung von Ortskundigen durch die Mauerlücken und verteilten sich in der Stadt.
Einige Gruppen umstellten das Lager der Janitscharen. Hamid kauerte mit zehn Mann an der nördlichen Seite der Marktplatzeinfassung. Jenseits der halbhohen Mauer befanden sich die Unterstände der Pferde, die sie mit in Öl getränkten Lumpen in Brand setzen würden. Eine andere Gruppe hatte am Eingang zum Marktplatz Deckung genommen. Sie sollten die Pferde durchlassen, danach aber die Öffnung abriegeln und die Janitscharen im Inneren des Platzes angreifen.
Vier weitere Trupps in der Nähe der Hauptmoschee hatten die Aufgabe, das Kommandozelt des Agas anzuzünden und die dortigen Kämpfer zu attackieren. Diese beiden weit auseinanderliegenden Brände, so Saïds Plan, würden für erhebliche Verwirrung unter den Osmanen sorgen.
Allerdings gab es auch beunruhigende Überlegungen: Zunächst einmal lagerte außerhalb der Stadtmauer, vor dem nördlichen Tor, eine größere Einheit von Osmanen. Um zu verhindern, dass sie ihren Kameraden in der Stadt zu Hilfe kommen konnten, mussten Sîdi Latifs beste Männer nahe der Stadttore in Stellung gehen. Gefährlich waren darüber hinaus die Feuer. Konnte deren Ausbreitung verhindert werden? Eine Katastrophe, wenn ausgerechnet Saïd dafür verantwortlich wäre, dass die Stadt abbrannte! Er beriet sich mit Abdallah. Der Freund verwies auf die windstille Nacht und auf die Lage von Marktgelände und Hauptmoschee. » Beide Plätze haben keine unmittelbaren Nachbarn«, argumentierte er. » Die freie Fläche rund um den Markt ist groß, so schnell wird sie von den Flammen nicht überwunden. Und die Moschee liegt mitten in einem weitläufigen Garten. Mit Allahs Hilfe haben wir weder mit Funkenflug zu rechnen noch mit einem Überspringen der Feuer auf benachbarte Häuser. Außerdem gibt es an beiden Orten Brunnen, aus denen man Löschwasser schöpfen kann.« Allah möge ihm verzeihen, dachte Saïd, als er die entsprechenden Befehle erteilte.
Der Gesang der Muezzine, die zum letzten Gebet des Tages riefen, war kaum über der Stadt
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