Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Aber wir wissen beide, was es bedeutet, Sîdi.« Hamid zeigte auf den Sandhügel. » Was ich jedoch nicht weiß, ist, was zwischen dir und dem amghar vorgefallen ist. Ich war nicht dabei. Eines aber ist klar: Ich werde dich nicht mehr allein lassen, nicht nach dem.« Er deutete erneut auf den Grabhügel. » Ein Unglück ist bereits geschehen.«
» Von welchem Unglück sprichst du?«
Hamid sah seinen jungen Herrn an. Er seufzte, dann aber begann er mit seinem Bericht. » Sîdi Latif führte uns wie ausgemacht nach Norden. Wir waren schon eine Weile unterwegs, als uns Kasim und Sliman einholten. Sie erzählten von Hussein und dass ihr gestritten habt. Dann stieß Sheïk Wahlid zu uns, das war kurz vor Ksar es Souq, und gleich darauf trafen wir auf die Nachhut der Osmanen. Sheïk Wahlid hatte überall Kundschafter postiert, die sagten, die Osmanen ritten stracks nach Norden. So weit war also alles wie geplant, nur du kamst und kamst nicht! Ich aber musste immerzu an den Streit zwischen euch denken und wie sehr der amghar dich verabscheut. Deshalb bin ich zurückgeritten.«
» Du bist ein treuer Freund«, lobte Saïd, » und es tut mir aufrichtig leid, dich nicht gleich mitgenommen zu haben.«
Der Schwarze nickte. » Ja«, sagte er nur. » Allah, der Allwissende, hat seine Hand über dich gehalten. Höre nun weiter, Sîdi: Unterwegs stieß ich auf die Diener des amghar. Sie waren geflohen und sagten, Husseins Karawane sei verflucht. Ich überredete sie, mich zu Husseins Lagerplatz zu führen. Was ich dir jetzt sagen muss, Sîdi, klingt wie der schlimme Traum, mit dem uns ein böser Dschinn quält, doch bei meiner Mutter: Jedes Wort ist wahr!«
Angestrengt, mit mahlenden Kiefern und Händen, die sich abwechselnd öffneten und zu Fäusten ballten, suchte Hamid nach Worten. » Husseins Kinder weinten, und seine Frau, Lâlla Rabia, zerriss unter Schluchzen ihr Gewand, seine Mutter aber lag in ihrem Blut!«, platzte er schließlich heraus. » Sie hatte sich einen Dolch in den Leib gerammt. Der amghar am Boden zitterte an allen Gliedern, während das Leben aus ihm wich. Ich schwöre, genau so war es. Verborgen hinter einem Busch sah ich alles mit eigenen Augen.«
Saïd starrte den Schwarzen an. Er konnte sich weder bewegen noch sprechen.
» Die Diener sagten, er habe aus der gerba getrunken, die an einem hellen mehari hing. Es wird wohl die deine gewesen sein, wenn er zuvor die Kamele vertauscht hatte. Du weißt, wie sehr er dich immer um deine Kamele beneidet hat. Dieses Wasser aber, also das in deiner gerba , scheint vergiftet gewesen zu sein, denn kurz nachdem er es getrunken hatte, begann Hussein zu schreien und sich am Boden zu wälzen.«
» Ich sah, wie Malika meinen Wasserbalg holte, dachte aber an nichts Böses. Ich nahm an, sie brauchte das Wasser für die Kinder. Stattdessen …«
Hamid zog die Augenbrauen in die Höhe. » Stattdessen vergiftete sie dein Wasser, ja, so wird es gewesen sein. Sie ging davon aus, dass du nach dem Schlaf durstig sein und«, er deutete auf den kleinen Grabhügel, » einen großen Schluck nehmen würdest. Oh Allah ! Als Lâlla Malika begriff, dass ihr Sohn die Kamele vertauscht und aus deiner gerba getrunken hatte, heulte sie auf wie ein Dschinn, sagten die Diener. Dann stieß sie sich das Messer in die Brust.« Er fasste nach Saïds Hand.
» Verstehst du, Sîdi? Es war ein Anschlag von Malikas Hand gegen dein Leben, dem Hussein zum Opfer fiel. La illah illalah, Gottes Wille geschieht.«
5. Teil – SAND UND MEER
52
Melilla
Sarah legte ihre Arbeit beiseite und lauschte. Hatte sie Margali weinen gehört? Nein, alles war ruhig. Gleich darauf aber hörte sie wieder dieses seltsame Geräusch.
Yasmîna war mit der Wäsche beschäftigt, daher erhob sich Sarah, um nach dem Kind zu sehen.
Yasmîna und sie ließen die Kleine niemals schreien, obwohl manche Mütter der Meinung waren, Schreien kräftige die Lunge. Aber sie konnten beide ihr im Jammer verzogenes Gesicht nicht ertragen oder wenn sich in Margalis Augen die Tränen sammelten. Eine von ihnen nahm sich immer des Kindes an, wiegte und beruhigte es und trug es auf dem Arm oder im Rückentuch mit sich herum. Neuerdings, seit sie tagsüber länger wach blieb, lag die Kleine oft zu Sarahs Füßen auf einer Decke, strampelte, spielte mit ihren Fingern und lachte in jedes Gesicht, das sich freundlich über sie beugte. Besonders Sarahs Gehilfinnen rissen sich darum, mit dem Kind zu spielen.
Die Tür zu Sarahs Schlafkammer war
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