Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
er unbeobachtet, konnte nachdenken und musste Hussein und die Frauen nicht sehen. Er würde sich sammeln und erneut mit Hussein sprechen, sobald der Bruder sich erholt hatte, beschloss er. Allerdings würde eine einvernehmliche Lösung nun wohl noch schwieriger als vorher zu erreichen sein. Er rieb die Knöchel seiner Hand.
Hatte er sich dieses Zusammentreffen so vorgestellt? Er hatte gehofft, dass Hussein das Abkommen mit den Osmanen widerrief und dass sie dann auch alles andere wieder in Ordnung bringen konnten. War diese Hoffnung nichts als eine Illusion, die Fata Morgana einer geeinten Familie? Sein Herz verlangte nach Frieden, sein Kopf aber wollte etwas anderes – und wie es aussah, seine Fäuste auch! Oder hatte Hussein womöglich recht, standen die Zeichen auf Veränderung, und er erkannte es nur nicht?
Falls dem so war, stand er allerdings nicht allein. Es waren nicht nur seine Vorbilder, wie der Vater und Brahim, die ihn bis heute leiteten. Wie diese dachten zahllose Freunde, Verbündete und Gefährten. Auch sie achteten die Traditionen, liebten die Freiheit, verabscheuten Ungerechtigkeiten und standen zu ihrem Wort, al hamdullillah. Mit diesem Gedanken fand sein Herz endlich wieder in den gewohnten Takt zurück.
Bevor er die Augen schloss, um sich kurz auszuruhen, bemerkte er Malika. Sie stand neben seinem mehari. Wollte sie das Kamel töten? Doch Husseins Mutter löste lediglich seine gerba vom Sattel. Als sie seinen Blick spürte, drehte sie sich um und machte eine bittende Bewegung.
Der nächste Brunnen befand sich in Ksar es Souq, war also innerhalb kurzer Zeit erreichbar, daher überließ er ihr sein Trinkwasser. Sie benötigte es vermutlich für Hussein oder die Kinder. Saïd nickte, dann zog er seinen chêche über die Augen. Nur einen Moment, dachte er.
Er erwachte von leisen Zischgeräuschen. » Sîdi, Sîdi, Sîdi, wach auf, schnell, wach auf.« Es war Hamid, dessen schwarzes Gesicht in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Er kauerte vor ihm im Sand und berührte ihn vorsichtig. Hastig setzte Saïd sich auf und sah sich um. Es war Nacht, er musste Stunden geschlafen haben!
» Was ist?«
» Baraka, du bist wach! Ich kam dich suchen, Sîdi, bin umgekehrt und zum Blauen Brunnen zurückgeritten. Es ließ mir keine Ruhe. Ich musste wissen, was passiert ist. Sheïk Wahlid und Sîdi Latif haben inzwischen die fliehenden Türken eingeholt. Sîdi Latif sagt, er heftet sich an ihre Fersen. Aber du warst nicht da, und als es dämmerte …«
» Es ist gut, Hamid, du hast alles richtig gemacht. Wie geht es Hussein?«
» Du weißt es schon?«
» Oh ja, natürlich.«
Verwirrt sah Hamid den jungen Sheïk an.
» Am besten gehe ich gleich zu ihm, vielleicht können wir doch noch miteinander reden.« » Du willst zu ihm?«, fragte Hamid zweifelnd. Saïd nickte. » Ich muss.«
Hamid schüttelte den Kopf und wirkte ernsthaft bekümmert, erwiderte jedoch nichts. Stattdessen entfernte er sich, um das Kamel seines Herrn zu holen. Kurz darauf ertönte sein Ruf aus dem Dunkel.
» Sîdi, dein mehari … Hier steht nur dieses lahme Tier. Oh, Allah, jetzt endlich verstehe ich!«
» Was, was verstehst du?«
Hamid kam aus dem Dunkel, er führte sein eigenes Kamel heran und jenes, das er anstelle von Saïds hellem mehari gefunden hatte. Seine weit geöffneten Augen glänzten in der Dunkelheit. Er war verstört, bemühte sich aber sichtlich um Sachlichkeit.
» Ich werde dir berichten, Sîdi. Doch zunächst werde ich Feuer machen, so viel Zeit haben wir«, erklärte er. » Und dann sollst du hören, was ich auf dem Weg zurück zum Blauen Brunnen erlebt habe.«
Hamid sammelte trockene Äste, und bald begann das Feuer zu brennen. Saïd wartete. Es schien sich um schlechte Nachrichten zu handeln, doch er geduldete sich und beobachtete, wie das Licht über das Gesicht des vertrauten Dieners flackerte. Heute hatte es nichts mehr von einer Fratze an sich, im Gegenteil. Es war weich vor Kummer.
Als die Flammen höher loderten und mehr Licht spendeten, deutete Hamid plötzlich schreckensstumm auf die Stelle, wo er seinen Herrn schlafend gefunden hatte.
Jemand hatte neben dessen Schlafplatz den Sand zu einem kleinen Grabhügel zusammengeschoben, mit je einem aufrecht stehenden Stein am Kopf- und am Fußende. Sie sahen sich an.
Saïd spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen wie eine kalte Hand. Eine Todesdrohung!
Er erhob sich, packte seinen Dolch und blickte suchend umher.
» Keine Sorge, wir sind allein.
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