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Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste

Titel: Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Cramer
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warteten sie auf etwas.
    Abdallah, der in der Nähe der offenen Tür zum Treppenhaus saß, wechselte einen Blick mit Saïd. Sie nickten sich zu. » Ich denke, wir alle benötigen eine Zeit der Ruhe«, meinte Abdallah und sah in die Runde. » Für heute können wir nichts mehr tun.« Doch niemand reagierte auf diese sanfte Mahnung.
    Wohl an die dreißig Männer saßen mit untergeschlagenen Beinen auf den Polstern. Vor ihnen, auf fein gehämmerten Tabletts, standen Gläser und Krüge mit Wasser und kühlen Säften sowie Schälchen voller Mandeln und Datteln. Zu mehr hatte es in der Eile und wegen der Unordnung, die nach den Gefechten in der Kasbah herrschte, nicht gereicht.
    Saïd kannte jeden einzelnen der Männer, die meisten von ihnen schon sein ganzes Leben. Hier hatte sich eine Abordnung der Marktleute und Händler eingefunden, daneben lehnten einige ehrenwerte Handwerker. Ihm gegenüber saßen Oasenbauern und Viehzüchter sowie die caïds aus den umliegenden Dörfern.
    Endlich hob er die Hand. Alle verstummten. » Seitdem wir vorhin meinen Bruder und die Frau meines Vaters zurück in Allahs Hände gegeben haben, lausche ich euren Worten. Ich möchte verstehen, was nun, nachdem die Osmanen vertrieben sind, getan werden muss.«
    » Lass die Stadtmauer reparieren!«, rief einer der caïds. » Das hat Zeit«, warf ein anderer ein. » Zuerst muss die Umgebung abgesucht werden, in der Oase liegen sicher noch Tote, die wir bisher nicht begraben konnten.« » Die Toten? Die Verletzten haben ja wohl Vorrang! Aber vor allem muss etwas für die Witwen und Waisen getan werden.« » Der alte Alî ist vor drei Tagen gestorben, daher muss für den nördlichen Oasenteil ein neuer Wasseraufseher bestimmt werden. Wie sollen wir sonst wissen, ob die Wasserverteilung gerecht vor sich geht?« » Und was ist mit uns und unseren Aufträgen? Wir haben uns schließlich mit Baumaterial für die neuen Marktplätze eingedeckt. Was soll damit werden? Und wer ersetzt uns den Schaden?« Plötzlich redeten alle gleichzeitig. Niemand hörte auf das, was der Nebenmann vorbrachte, jeder versuchte, den anderen mit seinem eigenen Anliegen zu übertönen.
    Saïd sah hierhin und dorthin und versuchte, zuerst dem einen, dann dessen Nachbarn zuzuhören. Schließlich erhob er sich und trat in die Mitte der Runde. Er wartete, dass Ruhe einkehrte. Einer nach dem anderen verstummte.
    » Ich sehe die zahlreichen Nöte und höre eure Wünsche«, begann er. » Offenbar dulden einige Maßnahmen keinen Aufschub. Für die nächsten Tage schlage ich daher Folgendes vor: Wir treffen keine Entscheidungen von großer Tragweite, sondern warten zunächst auf Nachricht von Sultan Muhammad. Hier in Sijilmassa und im gesamten Tafilalt haben wir die Osmanen zwar besiegt und in die Flucht geschlagen, aber wir wissen nicht, wie es weiter nördlich aussieht. In der Zwischenzeit jedoch übernehme ich kommissarisch, also vorübergehend, die Aufgaben eines amghar. Ist jemand unter euch, dem dies missfällt, so möge er die Hand heben und einen Gegenvorschlag unterbreiten. Falls nicht, so lasst uns damit auseinandergehen. Wir treffen uns morgen nach dem Mittagsgebet im Garten der großen Moschee. Ich danke euch für eure Hilfe an diesem schweren Tag. Allah behüte euch.«
    Einer der jüngeren Männer kam mit einem Satz auf die Beine. » Kommissarischer amghar ? Du kannst nicht wollen, dass wir ausgerechnet in diesem Augenblick ohne Führung dastehen. Welche Nachrichten auch immer uns von Sultan Muhammads Sieg oder Niederlage erreichen mögen: Sijilmassas Schicksal liegt in unseren Händen!« Er zeigte seine Hände vor, dann deutete er auf Saïd. » Genauer gesagt, in deinen. Sagte nicht der Sultan das Gleiche, als er dir Sijilmassas Freiheit anvertraute? Und Allah möge mir verzeihen, aber war es nicht dein Bruder, der uns die Schmach des osmanischen Jochs antun wollte? Daher ist es nun deine Pflicht, für uns zu sorgen und das Amt des amghar zu übernehmen, und das nicht nur vorübergehend.«
    Erneut redeten die Männer aufeinander ein. Ihre Stimmen wurden lauter und erregter, ihre Gesten heftiger, und einer nach dem anderen sprangen sie auf. Worte wie Treue und Verrat, Habgier, Verantwortung und Ausgleich, aber auch Kraft und Vernunft fielen. Einer rief: » Ohne Sheïk Saïd hätte es keine Armee gegeben, keine jungen Männer, die ihr Leben für unsere Freiheit aufs Spiel gesetzt haben!« Die Männer nickten. Ein anderer lobte: » Er hat das Ohr des Sultans, unsere

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