Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Aufregungen.« Saïd sprach ernst, doch seine Augen glitzerten, und in seiner Stimme schwang ein Lächeln.
» Das habe ich auch! Ich liebe es, wenn es ruhig ist.«
» Aha, deshalb dieser Platz, an dem es tobt und brüllt und alles in hellem Aufruhr ist«, zog er sie auf.
» Nein, wirklich! Du verstehst das falsch.«
» Doch, ich verstehe dich.« Saïd deutete auf das Meer. » Gerade weil alles in Bewegung ist, gefällt es dir hier, nicht wahr?« Er sah auf die anrennenden Wellen, die Schaumkronen und das schäumende und gurgelnde Wasser zu ihren Füßen.
Sarah nickte. » Ja. Und wegen der Farben. Sie verändern sich, siehst du? Die vielen Blau- und Grün- und Grautöne, und obendrauf das Weiß, so zart und vergänglich, als sei es aus Spitze. Schau, dort.« Sie deutete auf eine heranrollende Woge, die sich in die Höhe hob, bevor sie an den Steinen brach und schaumbedeckt zurückflutete.
Sie schwiegen und beobachteten das nicht endende Spiel des Wassers.
» Manche nennen die Sahara bahr bila ma, das ›Meer ohne Wasser‹, und es gibt tatsächlich Ähnlichkeiten«, meinte Saïd nach einer Weile. » Beides sind Urelemente, die Wüste und das Meer, und hier wie dort spürt man die Leere, nicht aber ihr Ende. Zudem werden sie beide vom Wind beherrscht und geformt. Die Sandwellen in der Wüste entstehen und vergehen nur in unendlich langen Zeiträumen, obwohl auch sie stets in Bewegung sind.«
Während er sprach, beobachtete Sarah seine Haltung und seine sparsamen Gesten. Er bemühte sich aufrichtig, ihre Liebe zum Meer zu verstehen. Es war ihm wichtig. Warum? Weil sie ih m wichtig war? Unwillkürlich senkte sie die Augen zu Boden.
» Damals, in jenem Winter vor einem Jahr, habe ich mich oft gefragt, wie sich dein Glück wohl anfühlen mag, dem du so entschlossen nachgereist bist. In Timbuktu entdeckte ich dieses hier.« Saïd zog eine Lederschnur unter dem Gewand hervor, löste den Beutel, der daran hing, und legte ihn in ihre Hände. » Er enthält Perlen aus der Wüste. Einige von ihnen nennt man ›Tränen der Sahara‹. Als ich sie sah, wusste ich, dass sie für dich bestimmt sind.«
Sarah sah von dem Beutel in ihrer Hand zu Saïd. Vorhin, bei der Begegnung mit Juan, hatte er kühl und abweisend gewirkt, während ihrer Kletterei zu diesem Platz aber war er wieder zu dem Mann geworden, den sie kannte. Jetzt allerdings blickten seine Augen fast ein wenig unsicher.
» Warum heißen sie ›Tränen der Sahara‹?«
» Nimm sie heraus.«
Sarah öffnete den Beutel und leerte seinen Inhalt in ihren Schoß. Eine Handvoll afrikanischer Stabperlen und zwei dicke honiggelbe Kugeln lagen vor ihr.
» Es ist saharischer Bernstein«, erklärte Saïd und deutete auf die Kugeln. » Aus dem Harz der Bäume, die vor langer, langer Zeit in der Wüste wuchsen. Es gibt eine masirische Legende dazu, aber es ist eine bittere Geschichte.«
» Oh?«
» Ja. Sie erzählt von Menschen und ihren Irrtümern, von Ausweglosigkeit. Wie gesagt, eine traurige Geschichte. So wie ich mich gefühlt habe, als du damals auf das Schiff …« Er brach ab.
Sarah spürte, dass sie schon wieder errötete, daher hielt sie den Blick gesenkt. Die Bernsteinkugeln fühlten sich warm an, glatt und rund schmiegten sie sich in ihre Hände. Er war also unglücklich gewesen damals, traurig, als sie nach Venedig in See stach .
Niemand sprach. Schließlich räusperte sich Sarah. » Du hast sie also vor so langer Zeit gekauft? Für mich?«
Saïd nickte.
Bevor sich das Schweigen erneut ausdehnen konnte, bohrte sie nach. » Aber du konntest doch nicht wissen, ob wir uns jemals wiedersehen würden.«
» Nein. Ich wusste es nicht, ich hoffte es.«
Sarah sog hörbar die Luft ein. Was sagte er, was geschah hier gerade mit ihnen?
Er starrte geradeaus, als getraue er sich nicht, sie anzusehen. Dabei saß er so nahe neben ihr, dass sie seine Wärme spürte, und seinen Duft. Am liebsten hätte sie sich dichter an ihn geschmiegt .
Ihre Nähe verschlug auch Saïd die Sprache. Kein Wort fiel, beide blickten sie hinaus auf die Bucht.
Irgendwann aber deutete Saïd hinüber zum Hafengelände. » Sieh dort, die Schiffe, sehen sie nicht aus wie die Karavellen aus Genua? Sind sie etwa zurückgekommen?«
Bei dem Anblick setzte Sarahs Herzschlag aus. Marino! Hatte er nicht gedroht, in wenigen Wochen würde er wiederkehren? » Oh nein!«, stöhnte sie. » Nicht wieder Marino! Ich wünschte, ich wäre ihm nie begegnet!« Die letzten Worte schrie sie beinahe.
Saïd legte
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