Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Kämpfe in Marokko erst jetzt klar geworden! Per Dio, er hatte ihnen das Blaue vom Himmel herunter versprechen müssen. Dabei hatte er selbst keine Ahnung, ob der Karawanenhandel inzwischen wieder in geordneten Bahnen verlief.
Salz konnte er natürlich überall an der afrikanischen Küste bekommen, aber was war mit Silber oder mit den Hölzern für das Arsenal, und würde er überhaupt auch nur eine einzige Straußenfeder kaufen können? In Venedig zahlte man inzwischen ein Vermögen dafür. Ein großartiges Geschäft also, falls man denn welche bekommen konnte. Insgesamt aber sah es düster aus, und es würde ihn überhaupt nicht wundern, wenn diese Reise mit einem satten Verlust abgeschlossen werden würde.
Dennoch, obwohl sich in seinem eigenen wie auch in Sarahs Auftragsbuch noch viele leere Seiten befanden und trotz der drohenden Stürme hatte er Segel gesetzt. Er musste einfach in Melilla nach dem Rechten sehen! Freudig begrüßte er daher den Anblick, der sich soeben aus Wolken und Regenschleiern hervorschälte.
» Avanti, ragazz o !«, brüllte er den Niedergang hinunter. » Wir haben es geschafft!«
Ein blasser Emmanuele kletterte an Deck, klammerte sich an die Reling und spähte durch den Regen nach vorn, als traue er den Worten des alten Kapitäns nicht. Die San Pietro e Paolo stemmte sich zwar immer noch gegen den Wind, doch vor ihrem Bug tauchten ein Berg und die Silhouette einer befestigten Stadt auf. » Das ist Melilla?«, fragte er zur Sicherheit, und Pacelli bestätigte: Sie waren am Ziel.
Während sie in den Hafen einliefen, Anker warfen und das Boot zum Landgang zu Wasser gelassen wurde, suchten Pacellis Augen die Bucht ab. Lediglich eine zweimastige Galeone, eine Karavelle und ein paar Fischerboote lagen vor Anker. Mager, dachte er, sehr mager, aber ihm konnte es nur recht sein. Wenige Schiffe, das bedeutete kaum Konkurrenten.
» Zieh ein frisches Hemd an, Emmanuele, wir gehen an Land. Zuerst zur Hafenbehörde, das muss sein, aber dann auf schnellstem Wege zu Signorina Sarah. Die Bündel mit den Stoffen lassen wir einstweilen noch an Bord. Nicht, dass sie auf den letzten Schritten in der Feuchtigkeit noch Schaden nehmen. Das Bestellbuch aber kannst du ihr gleich geben. Bin gespannt, was sie dazu sagt, dass ich dich mitbringe.«
Die Anmeldung war eine Formsache, und auch den Weg vom Hafen ins jüdische Viertel hatten sie bald hinter sich. Gestern hatte Pacelli noch über seinen Rücken gestöhnt, jetzt aber stieg er erstaunlich flink die Treppe hoch. Er klopfte seine durchnässte Kappe aus, dann pochte er an die Tür. Nichts geschah.
Emmanuele legte sein Ohr an die Tür und lauschte.
» Nichts, niente «, sagte er und richtete sich auf. » Da ist niemand.«
» Unsinn!«, schnaubte der Kapitän und schlug mit der Faust gegen das Holz, » wo sollen sie bei dem Regenwetter denn hin? Noch dazu mit einem kleinen Kind?«
Emmanuele zuckte die Schultern. Seitdem er festen Boden unter den Füßen hatte, kehrte sein seit Wochen verschwundenes Selbstvertrauen zurück. » Weiß doch ich nicht. Fragen wir bei den Nachbarn. Nachbarn sind überall neugierig, sie werden wissen, was los ist.« In diesem Augenblick öffnete sich die Tür.
*
Sarah schlug die Augen auf und streckte sich. Wie wunderbar, sich wieder einmal ausgeruht zu fühlen. Der Muezzin rief, und gleichzeitig kam von der spanischen Kirche das Mittagsläuten herüber. So lange hatte sie geschlafen?
Alles Mögliche ging ihr durch den Kopf: Margali, deren Hustenkrämpfe sich allmählich besserten, ihr Vater und Saïd, Saïds Saugröhrchen, die Klugheit ihrer Mutter … Hatte sie tatsächlich angeregt, Margali in die trockene Gegend von Sijilmassa zu bringen, und nicht etwa nach Santa Cruz oder Mogador? Außerdem hatte sie sogar gefragt, ob sie Marino vermisse . Marino! Er hatte zwar angedroht wiederzukommen, aber das war hoffentlich nur Gerede und sie musste ihm niemals wieder begegnen.
Sarah streckte sich erneut, dann setzte sie sich auf. Es duftete nach Früchten, Kräutern und Essen, aber was waren das für Stimmen? Rasch kämmte sie die Haare und richtete ihr Gewand. Vorsichtig öffnete sie die Tür zur Werkstatt.
Der Anblick, der sich ihr bot, verschlug ihr die Sprache.
Am Werktisch saßen ihr Vater und Kapitän Pacelli nebeneinander. Sie aßen und debattierten mit einer Selbstverständlichkeit, als seien sie uralte Freunde. An einem niedrigen Tisch unterwies Saïd Emmanuele in der Kunst, Couscous zu kleinen Bällchen zu formen und
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