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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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hast gesehen, was herauskommt, wenn ich versuche, ein Tor zu errichten. Wir landen an einem zufälligen Ort, oder das Ding explodiert. Oder vielleicht werden wir beim nächsten Mal zerquetscht, weil der Tunnel sich schließt, noch während wir im Gewebe stecken. Was weiß ich? Es könnte passieren.«
    »Was spürst du, wenn du nach draußen greifst?«
    »Nichts. Als würde ich durch ein Loch tasten, aber auf der anderen Seite hängt nur schwarze Luft. Ich finde keinen Anker. Es ist, als wäre der Rest des Universums einfach verschwunden. Das habe ich noch nie erlebt.«
    Das waren ja rosige Aussichten. Ken zog sich zurück, bevor sie ihn beim Lauschen ertappte.
    Er verbrachte einige Stunden damit, die Etagen der riesigen Festung auf eigene Faust zu erkunden. Manchmal hörte er das Quietschen der Kätzchen, doch konnte Marielle nirgends entdecken. Dafür stieß er auf Santino, der vor einem gewaltigen Bücherregal stand. Die Folianten darin waren noch nicht nach Buchstaben auseinandergeschnitten und sortiert worden. Der Magier blätterte in einem Buch herum, als Ken sich näherte.
    »Faszinierend, diese Sammlung«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Die Akademie hätte sich bis auf die Knochen verschuldet, um solche Schätze in die Finger zu bekommen.«
    »Die Bücher sind wertvoll?«
    Santino stellte den Band zurück ins Regal. Er hatte seinen Mantel und das Schwert abgelegt, und wieder musste Ken sich zusammenreißen, um nicht die silbrige Tätowierung auf Santinos Arm anzustarren.
    »Ein paar sind faszinierend. Ich bin wirklich gespannt, diesen Buchstabensammler kennenzulernen.«
    »Er zerschneidet sie. Also die Bücher. Hast du die Papierketten gesehen?«
    »Die sind auch faszinierend.« Der Magier zog sich den Lederhandschuh fester übers Gelenk. Ken glaubte, Metall blitzen zu sehen. »Wenn Dämmer-Detroit nicht jeden Augenblick die Vernichtung drohte, würde ich hier gern mehr Zeit verbringen. Sofern der Hausherr es zulässt. Liest du gern Bücher, Ken?«
    »Ich liebe Bücher.«
    »Das ist gut.« Santino nahm einen anderen Band aus der Reihe und warf ihn ihm zu. »Dann nimm das hier und lies es. Und untersteh dich, etwas davon auszuprobieren, wenn ich nicht dabei bin.«
    Ken blätterte es auf. Jede Menge Text sprang ihm entgegen. Kleine, verschnörkelte Buchstaben, die sich zu bewegen schienen, doch erstarrten, sobald er sie näher betrachtete. »
Von der Kunst der Imagination
.« Er blickte hoch. »Cool. Danke.«
    »Komm mit.« Santino machte eine Kopfbewegung zur Wand mit den langen Fensterschlitzen. Bunte Kissen bedeckten den Boden, ein paar mit Mustern, die sich bewegten, wenn man sie aus dem Augenwinkel ansah. Genau wie die Buchstaben. Unschlüssig rieb sich Ken die Schläfen. Er hatte immer noch Mühe zu akzeptieren, dass alles in dieser Welt möglich war. Buchstäblich alles.
    Sie ließen sich auf die Kissen nieder. Santino streckte seine langen, in Leder gehüllten Beine aus und lehnte sich rücklings gegen die Mauer.
    »Wir wissen nicht, wann unser geheimnisvoller Gastgeber auftaucht, also können wir uns die Zeit genauso gut mit etwas Nützlichem vertreiben.« Der Magier verzog einen Mundwinkel. »Da sich Feuerbälle und ähnliche Spielereien hier drin verbieten, arbeiten wir an den Grundlagen. Wille und Vision, du erinnerst dich? Ich denke, wir schleifen heute an deiner Vision.«
    Kugeln! Ken schwirrte der Kopf, als er, gefühlte zwanzig Stunden später, zu seinem Kissenlager schlich. Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen und ein mystischer Lichtschein breitete sich aus, der mit ihm wanderte, wenn er sich im Raum bewegte. Dieses Lagerhaus steckte voller Überraschungen. Er suchte nach der Quelle des Lichts und kam zu dem Schluss, dass es von den winzigen Stäubchen herrührte, die überall in der Luft schwebten. Wenn er sich bewegte, strahlten sie. Blieb er längere Zeit reglos, sanken sie herab zu bläulichem Zwielicht. Wie die Schlaflampe, die er als kleiner Junge in seinem Zimmer gehabt hatte. Es fehlten nur die tanzenden Sterne.
    Marielle hatte sich unter ihren Decken zusammengerollt und schlief. Sie wachte nicht auf, als er sich näherte. Nur das Purpurkätzchen, das an ihre Wange geschmiegt neben ihr lag, spitzte ein Ohr. Ein Gefühl heftiger Zärtlichkeit spülte über ihn hinweg. Er wollte sich am liebsten zu ihr herunterbeugen, sie auf die Augenlider und die Lippen küssen und sich so eng an sie schmiegen, als wären sie ein einziges Wesen. Doch er mochte sie nicht wecken. Er

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