Purpurdämmern (German Edition)
Arm hinauf, gefolgt von einem Taubheitsgefühl. Sie spürte kaum noch seinen Griff. Halb fasziniert, halb entsetzt hielt sie den Atem an. War das normal? In Kens Augen blitzte schlecht verhohlene Panik auf.
Nach ein paar Herzschlägen legte sich der Schmerz.
Oh nein.
Die Purpurkatze blinzelte.
Ich habe dich gewarnt. Jetzt musst du mit den Konsequenzen leben.
Hieß das, es funktionierte? Vorsichtig entflocht sie ihre Finger. Sie zupfte das Lederbändchen beiseite. Eine der Federn war angeschmort. Sie betrachtete die Unterseite ihres Arms und konnte ein euphorisches Quietschen nicht unterdrücken. »Es hat geklappt!«
Über ihrer Pulsader glitzerte ein kreisförmiger Ausschnitt, auf dem ihre Haut sich in vielfarbig schimmerndes Opalglas verwandelt hatte. Das Opfer war vollzogen.
Es stieg ihr zu Kopf wie süßer Wein. Das Damoklesschwert der Zwangsheirat war gebannt. Newan konnte sie nicht ehelichen, solange sie an einen anderen Mann gebunden war. Und ihr Vater, der würde sich damit abfinden müssen. Er konnte sich ja damit herausreden, dass sie die ungehorsame Tochter war, die gegen seinen Willen gehandelt hatte.
Dafür konnte ihm niemand, nicht einmal Newans mächtige Großmutter Maebh, einen Vorwurf machen.
»Verdammte Pest«, fluchte der Buchstabensammler. Sprödes Holz und Staub spritzten, wo sein Stein auf die Brüstung traf.
»Was ist los?« Santino stellte seine Last auf den Boden, die er vier Stockwerke hier hoch geschleppt hatte. Schweiß brannte ihm in den Augen und ließ ihm die Haare feucht im Nacken kleben. Was immer in diesen zugenagelten Kisten steckte, es war schwer wie Blei.
»Diese verfluchten Ranken. Fangen die Vögel und die kleinen Tiere.« Der Alte richtete sich auf. Um seine Füße wanden sich Stücke der fetten grauen Schlingen und eine zertretene Scharlachblüte. Aus den Holzbrocken ragte etwas, das wie ein totes Rotkehlchen aussah. »Jedes Jahr verbrenne ich sie, und jedes Jahr werden es mehr. Sie überwuchern die ganze verdammte Stadt. Bring die Kiste hierher und stell sie auf die anderen.«
Santino verkniff sich die Bemerkung, dass jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, sich um ein paar fleischfressende Blumen zu sorgen. Er holte tief Atem und hievte die Last zurück auf seine Schulter.
»Hierher.« Umo deutete auf den riesigen Stapel zwischen zwei Weiden am Rande des Wäldchens. »Genau hier, in diese Lücke.«
Hinter dem Netz dunkler Sprünge färbte der Horizont sich rosa und blau. Die Sonne ging auf, auch wenn die schweren grünen Nebel ihr Licht noch schluckten. Der Haufen von Umos Habseligkeiten hatte mittlerweile doppelte Mannshöhe und die Ausmaße eines Heufuders angenommen. Santino zitterten die Knie, als er mit der Kiste auf einen Stein stieg, um sie ganz oben abzusetzen.
»War das die letzte?«, fragte der Alte.
»Das weißt du doch selbst.«
Verschmitztes Lächeln glättete die knorrigen Züge und wusch den Zornausbruch fort. »Es gibt doch nichts Befriedigenderes als echte körperliche Arbeit, die einen ins Schwitzen bringt, was?«
»Aber ich sehe dich gar nicht schwitzen.« Keuchend lehnte Santino sich gegen einen Baum. »Wie willst du die Ladung durchs Portal kriegen? Versetzt du ihr einen Tritt?«
»Ach wo.« Umo streckte die Hand aus, eine beiläufige Geste. Nur ein Zucken seiner Lider verriet die Konzentration. Der ganze gigantische Kistenstapel löste sich aus dem Gras, leicht wie Pappmaché. Eine Armlänge weiter rechts senkte sich die Fuhre wieder ab, so sanft, dass kein einziges Brett verrutschte.
»Der gleiche, selbstgefällige Bastard wie damals«, murmelte Santino, und konnte sich doch ein Grinsen nicht verkneifen, von dem alten Mann so vorgeführt worden zu sein. »Kein Wunder, dass sie dich mit Mistgabeln vom Imperialen Hof gejagt haben.«
Umo ließ sich neben ihm ins Gras sinken. Zwischen ihnen entstand eine genügsame Stille, die selbst das Jaulen der Spalthunde nicht stören konnte.
»Ich habe über den Riss in Níval nachgedacht«, sagte der Alte nach einer Weile. »Mir ist etwas eingefallen. Die Verschlingerinnen, die den Kjer die Wege in ferne Welten fressen, die sind nicht viel mehr als hirnlose Erdwürmer mit viel zu großen Zähnen. Die Imperialen lenken sie, indem sie ein Leuchtfeuer entzünden, einen magischen Herzschlag, der die Devoras anzieht wie Honigduft einen Bären. Sie graben sich durchs Gewebe, bis sie die Quelle des Herzschlags erreichen, und nichts kann sie aufhalten.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Du,
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