Purpurdämmern (German Edition)
das Haar eine wirre golddunkle Masse, Wangen und Kinn von Bartstoppeln bedeckt, verriet nichts daran, was er wirklich dachte. Sein Anblick zog ihr das Herz zusammen und schürte zugleich ihre Wut. Warum tat er das? Was hatte sie denn gesagt, dass er so abweisend reagierte?
Das tiefe Grollen der Devora brachte den Boden und die Wände zum Beben. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die Buchstabenketten zitterten. Nessa zuckte zusammen und duckte sich. Die Verschlingerin musste ganz nahe sein. Sie unterdrückte den Reflex, aufzuspringen und aus dem Fenster zu schauen. Die Bestie konnte sowieso nicht durch den Schleier des Buchstabensammlers, und sie musste jetzt dieses Ritual hinter sich bringen, bevor noch einer der beiden Magier auftauchte und sie unterbrach.
»Wir fassen uns bei den Händen und ich verbinde uns mit dem hier.« Sie fummelte ein Lederbändchen mit zwei verklebten Federn aus ihrem Haar, traurige Überreste der Frisur, die die Ojibwe-Mädchen ihr gemacht hatten. »Gib mir deine Hand.«
»Links oder rechts?« Sein kühler Tonfall war verletzend. So unromantisch hatte sie sich das Ritual nicht vorgestellt.
»Egal«, schoss sie zurück. »Die linke.«
Er gehorchte.
Sie fasste nach seinen schlanken, kräftigen Fingern, die auf den Innenseiten voller Abschürfungen waren. Mit der anderen Hand wickelte sie das Lederbändchen um ihrer beider Handgelenke.
»Ich sage jetzt zuerst den Schwur, und dann sprichst du mir nach. Und während du ihn sprichst, musst du es wollen, verstanden?«
»Ja, Sir.« Und was funkelte da in seinem Blick?
Du solltest das nicht tun.
Die Purpurkatze sprang mit einem weichen Satz auf den Boden.
Hör auf, du wirst dich später dafür hassen!
»Sei still«, zischte Marielle.
»Ich habe nichts gesagt«, bemerkte Ken.
»Nicht du!«
Er verzog einen Mundwinkel.
»Jetzt die Formel. Hör zu.« Sie starrte auf ihrer beider Hände, auf die ineinander verschlungenen Finger, auf die Tiefe der Geste und die Schönheit, die in ihr lag. Eine heftige Traurigkeit ergriff Besitz von ihr. »Ich bin Marielle von den Tuatha Mórí, Tochter von Eoghan und Noreen, Erbin des Throns und Herr über meine Schutzbefohlenen, die Fayeí von Tír na Mórí. Ich will mein Leben mit diesem Mann teilen, ich will ihm meine Liebe schenken, ich will seine Liebe empfangen, ich will mich mit ihm verbinden und will nicht mehr ohne ihn sein.« Ihre Finger begannen zu schwitzen. Spürte sie schon Wärme am Handgelenk? Bildete sich das Siegel schon aus? »Jetzt du.«
Er runzelte die Stirn vor Konzentration.
»Nun mach schon!«
»Ja, gut.« Gekränkt senkte er den Blick auf ihre Hände. »Ich bin …« Er stockte und blickte wieder auf. »Ich habe keinen tollen Titel. Ist das ein Problem?«
»Mach einfach weiter.«
»Also, ich bin Ken O’Neill, Sohn von Claire und …« Er hielt abermals inne. »Soll ich Coinneach sagen?«
Sie stöhnte.
»Also Ken O’Neill, Sohn von Claire O’Neill und wahrscheinlich Coinneach, Prinz der Tuathi … Tuatha –«
»Avalâín«, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Prinz der Tuatha Avalâín.«
»Genau.« Ein flüchtiges Grinsen glitt über sein Gesicht, bei dem zu ihrem eigenen Ärger ihr Herz einen Satz machte. »Ähm, aus Detroit. Also genauer gesagt, Corktown. Ich will mein Leben mit diesem … tja, Mädchen teilen, ich will ihr meine Liebe schenken.« Röte stieg ihm vom Hals hoch ins Gesicht. »Ich will ihre Liebe empfangen. Wie geht es weiter?«
O Sarrakhan, öffne ein Loch und lass ihn von der Erde verschlingen! Das war die würdeloseste Posse eines Verlobungsrituals, die sie je erlebt hatte. Dass es ausgerechnet ihr eigenes war, machte das Elend perfekt. »Ich will mich mit ihr verbinden …«
»Okay, jetzt weiß ich’s.« Der Griff seiner Finger um ihre wurde fester. Sie spürte ein Kribbeln. »Ich will mich mit ihr verbinden und will nicht mehr ohne sie sein.«
Beide gleichzeitig erstarrten. Die Devora unter der Festung brüllte sich die Seele aus dem Leib. Die Spalthunde jaulten in einem grässlichen Chor. Marielle fixierte ihre Hände. War das alles? Sie wagte nicht, ihren Arm zu bewegen, aus Angst, das Ritual zu unterbrechen.
»Ich will mich mit ihr verbinden«, wiederholte Ken. Sein Tonfall veränderte sich und gewann an Tiefe. »Und will nicht mehr ohne sie sein.«
Sie lockerte ihre Finger in seinen, ganz vorsichtig. Gerade als sie den Mund aufmachen wollte, um ihn zu fragen, ob er schon etwas spüre, schoss ihr ein heftiger Schmerz den
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