Purpurdämmern (German Edition)
Das durfte alles nicht wahr sein.
Doggie wechselte seinen Griff um die Klinge, sodass er von oben herab zustechen konnte. Ein Grinsen flackerte über seine Züge, die sich unter den Strömen von Soße und Blut zu einer zombiehaften Fratze verzerrten.
»Du bist tot, Mann«, wiederholte er. »Ich schneide dir meine Initialen in die Fresse.«
Keine Furcht, hämmerte Ken sich ein. Respekt. Er starrte auf die Klinge und fand sie entsetzlich Furcht einflößend.
Doggies Mundwinkel zuckten. Er warf July einen triumphierenden Blick zu, der sagte: Siehst du, wer hier der Größte ist? Dann stürmte er auf Ken los wie ein wütender Bulle.
Ken wich zur Seite aus, in seinem Kopf ein Kettenkarussell aus Panik und Überlebensinstinkt. Wieder griff er ins Gewebe, und wieder schlug er sich die Fingerknöchel blutig beim Versuch, die Maschen zu manipulieren. Hinter seinen Schläfen flammten Kopfschmerzen auf. Er bekam Doggies Arm zu fassen, so wie Santino es ihm gezeigt hatte, drehte sich mit ihm und stieß ihn einen Augenblick später wieder von sich. Was bei Santino leichtfüßig und elegant wirkte, verwandelte sich hier in unbeholfenes Ringen und Zerren. Doch es funktionierte. Doggie krachte in einen Stuhl, grunzte vor Schmerz und rutschte ein Stück weiter, den Gang hinunter. Sein Messer verlor er auf halber Strecke. Ken setzte ihm nach und hob es auf. Die Leute schrien durcheinander wie Irre. July sprang von ihrem Sitz auf, hochrote Flecken auf den Wangen.
»Hau ab!«, brüllte Ken mit einer Courage, die er nicht verspürte. Doggie kaufte es ihm dennoch ab. »Oder ich rufe die Cops und dann kannst du Pat Gesellschaft leisten!«
Der Kampf war vorbei. Er las es in den Augen des anderen, als der sich auf die Beine quälte. Doggie hielt sich eins seiner Handgelenke. Hoffentlich hatte er es sich gebrochen, dachte Ken in einer Aufwallung von Gehässigkeit. In Doggies Blick leuchtete Mordlust, aber er griff kein drittes Mal an. Er spuckte auf den Boden, fuhr auf dem Absatz herum und stürmte zur Tür.
Plötzlich angewidert, ließ Ken das Messer fallen.
»Wow!«, sprudelte es von Julys perlmuttglänzenden Lippen. »Wow! Hör mal, das mit gestern tut mir leid.«
Ken sah sie ungläubig an.
»Wollen wir … ich meine, ich könnte dich zum Essen einladen. Verspätetes Geburtstagsessen.«
Er war so verblüfft, dass ihm für zwei Sekunden die Worte fehlten.
»Du weißt doch, meine Eltern sind nicht da. Das gestern ist echt blöd gelaufen, aber ich mache es wieder gut. Wir kochen zusammen und dann … gibt es Nachtisch. Geburtstagsnachtisch.«
»Warte, July. Warte. Du warst grad mit
ihm
essen, schon vergessen?«
»Bist du eifersüchtig?« Sie zog eine Schnute und klimperte mit ihren getuschten Wimpern. »Mein Herz war gebrochen. Aber wenn du es genau wissen willst, er ist keine Konkurrenz für dich.«
»Ob ich … was?« Er konnte nicht anders, als laut herauszulachen. »July, ich hab kein Interesse. Bleib bei Doggie, okay? Ihr habt einander verdient.«
Der Barkeeper, ein blonder Typ mittleren Alters, drängte sich durch die Menge und blieb vor ihm stehen. »Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst.«
Klar, wenn McKinney erfuhr, dass einer seiner Leute im Steak Hut verdroschen worden war, gab es Ärger. Der Restaurantbetreiber musste klarstellen, dass er mit Ken nicht unter einer Decke steckte und es nicht seine Schuld war, wenn Doggie Ärger suchte und dabei eins auf die Nase kriegte.
»Kein Problem. Mir ist sowieso der Hunger vergangen.« In seiner Hand pochte ein Phantomschmerz, als hätte er sie sich verstaucht. July funkelte ihn giftig an. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Viel Spaß noch. Mit Doggie hast du den großen Wurf gelandet. Glückwunsch.«
Auf dem Weg nach draußen wichen die Leute ihm aus. Feiglinge waren sie, allesamt. Wegseher. Kein Wunder, dass die McKinneys dieser Welt ihnen so leicht das Blut aussaugen konnten. Wenn nie jemand aufstand und sich gegen die Ungerechtigkeit wehrte, was sollte sich dann ändern?
Doch dann wurde ihm bewusst, dass er bis vor wenigen Tagen einer von ihnen gewesen war. Ein Hosenscheißer, der sich mit einer geknurrten Drohung und einem Handwedeln verscheuchen ließ. Er selbst hatte Sean bekniet, nicht zur Polizei zu gehen.
Er warf einen Blick zurück in ihre ängstlichen, unentschlossenen Gesichter. Es war nicht nur der Mut. Es war auch der Wille, füreinander einzustehen. Die Bereitschaft, die eigene Unsichtbarkeit aufzugeben. Dabei hätte es so einfach
Weitere Kostenlose Bücher