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Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sein können. Wenn jeder von ihnen auf seinen Nachbarn achtgab, kriegten McKinneys Schläger keinen Fuß mehr auf die Erde. Doch die Furcht in den Blicken der Leute sprach mehr als tausend Worte. Füreinander einstehen. Yeah. Nicht für fünfzig Cent.
    Angst war McKinneys Waffe.
    Bitterkeit übermannte ihn, als er die Türen aufstieß und ins Freie hinaustrat. Nach der dampfigen Wärme im Innern des Diners strich ihm die Nachtluft kalt über den Nacken. Wo steckte Coinneach? Hatte der Fayeí sich auf der Suche nach der Tankstelle verlaufen?
    »Hey«, rief eine Frauenstimme.
    Er blickte sich um. Kristin trat aus der Tür. Ihr Lippenstift leuchtete im Lampenlicht wie eine pinkfarbene Wunde.
    »Was willst du?«, fragte er.
    »Ich weiß, dass du es nicht gewesen bist.«
    Er verstand nicht. »Was meinst du?«
    »Es ist wegen der Anhörung. Ich werde ihnen sagen, dass July den Hausmeister überredet hat, ihr deinen Schrank aufzuschließen. Ich stand daneben, als sie ihre Brieftasche hineingelegt hat.«
    Ungläubig musterte er sie. Zum ersten Mal fiel ihm die Müdigkeit unter den schwarz gefärbten Wimpern auf. Wenn sie nicht affektiert lachte, sah sie nett aus. »Sie wird dir die Freundschaft aufkündigen.«
    »Ist mir egal.«
    Er nickte.
    Eine Zeit lang standen sie schweigend nebeneinander.
    »Warum?«, fragte er.
    »David hat mir erzählt, dass du ihm Geld zusteckst, wenn er deinen kleinen Bruder beim Klauen erwischt.«
    »David? David Trumbull?« Irgendwie war er heute Nacht schwer von Begriff. Er kapierte es immer noch nicht. »Von Trumbull’s Market?«
    »Er ist mein Onkel.«
    »Ah.«
    »Er findet es süß, dass du dem Kleinen den Ärger vom Hals hältst.«
    »Süß, ja?«
    »Vor allem, weil es ehrlich verdientes Geld ist und weil er ja weiß, dass bei euch die gebratenen Tauben nicht zum Fenster reinfliegen.«
    »Woher will er das wissen?«
    Sie verdrehte die Augen. »Corktown ist ein Dorf, Ken. Jeder tratscht über jeden. Pat verdrischt McKinneys säumige Schuldner, dein Dad verdrischt deine Mom, die hat sie nicht mehr alle und du bist der Einzige aus der verkorksten O’Neill-Brut, der keinen Schlag weghat.«
    Mühsam unterdrückte er die plötzliche Feindseligkeit, die in ihm aufwallte. Kristin sah nicht aus, als wäre es ihre Absicht, ihn zu beleidigen. Sie sprach nur aus, was alle hier dachten. Er presste die Lippen aufeinander und wartete, dass sein Puls sich beruhigte.
    »Sei froh, dass du July los bist«, fuhr sie fort. »Du warst viel zu gut für sie.«
    »Ihr seid tolle Freundinnen, wirklich. Was stimmt eigentlich nicht mit euch?«
    »Freundinnen?« Kristin seufzte. Mit einem Mal wirkte sie zehn Jahre älter. »Ich bin doch nur ihre Hofdame. Ich hänge mit ihr rum, weil sie beliebt ist und ich keine Lust habe, das Mauerblümchen zu spielen. Sie nimmt mich überall hin mit, weil ich ihre blöden Kleider bewundere und ihr sage, wie toll ihre Haare sind und dass alle Typen nur sie anhimmeln, wenn sie irgendwo zur Tür reinkommt. Und weil sie denkt, ich wäre keine Konkurrenz.« Mit der Fußspitze kickte sie ein Steinchen fort. »Freundschaft ist was anderes. Egal. Ich gehe jedenfalls Montag zur Prescott und sage ihr das mit der Brieftasche. Mal sehen, ob dann die Anhörung überhaupt noch stattfindet.«
    »July könnte sich ziemlichen Ärger damit einhandeln.«
    »Quatsch. Ihr Dad wedelt mit seinen Dollarscheinen und spendiert der Highschool neue Stühle für den Speisesaal und schon ist alles wieder in Butter. Vielleicht kriegt sie zu Hause Ärger, aber ganz ehrlich, den hat sie verdient.« Kristin drehte sich halb um. »Ich geh wieder rein. Ich wollte dir das nur sagen.«
    Er fühlte sich linkisch und wollte etwas erwidern, aber einfach Danke zu sagen, erschien ihm platt und unangemessen. Dieses Friedensangebot von Kristin war das Letzte, womit er gerechnet hatte. Aber was hatte der Buchstabensammler zu Marielle gesagt, bevor er sie verließ? Sei nicht zu vorschnell mit deinem Urteil über Menschen, die dir nahestehen? Das traf wohl auch auf ihn zu.
    »Ach und noch was.« Kristin blickte über die Schulter zu ihm zurück. »Ich fand es klasse, dass du dich von Doggie nicht hast unterbuttern lassen. Vielleicht merkt er sich’s, dass es auch andersherum gehen kann. Es war gut, dass alle gesehen haben, dass diese Dreckstypen nicht unbesiegbar sind.« Sie zwinkerte ihm zu und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
    Er betrachtete seine Hände. Von wegen, Magie funktionierte nicht im Kern. Wenn er das

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