Purpurdämmern (German Edition)
zerbrochener Mann.«
»Felím.« Santino war zu erschöpft und zu mürbe von den Schmerzen, um große Überraschung zu empfinden. »In alten Kellergewölben herumzuschleichen, ist das Eure zweite Natur?«
Der Graf lachte. Makellos sah er aus in seiner schwarzen eng geschnürten Jacke, die mit Silberfäden bestickt war. Sein kristallweißes Haar mit dem begehrten Sonnenglanz hatte er straff nach hinten gebunden. Die schwarzen Augen brannten wie Kohlen.
»Ihr seid ein Verräter, Santino«, sagte er fröhlich. »Ein Hochverräter. Sie beratschlagen darüber, wie sie einen Emissär in den Rabenfächer entsenden und Kontakt zu den Imperialen von Kjer herstellen können, um ihnen einen Austausch vorzuschlagen.«
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Santino glaubte zu fallen und war dankbar, dass sie ihn mit dem Gesicht zur Wand angekettet hatten. Für einen oder zwei Herzschläge atmete er nur, konnte nicht denken. Er war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Geist verdaute die Worte, begriff sie aber nicht.
»Wie wollen sie das anstellen?«, krächzte er.
»Sie wollten schon die Halunken der van Erlen-Gesellschaft anheuern.« Felím kicherte, als wäre das ein besonders gelungener Scherz. »Aber das brauchen sie nun nicht mehr. Ich habe ihnen meine Hilfe angeboten.«
»Was wisst
Ihr
schon von den Kjer?«
»Alles, was Rhonda mir beigebracht hat.« Felíms Lippen streiften Santinos Ohr, sodass der Atem des Grafen über seine Schläfe blies. »In unseren langen, lustvollen Nächten. Oh, sie ist eine wunderbare Frau. So schön und leidenschaftlich wie eine Göttin. Aber Ihr wisst ja, wovon ich rede. Und all die Herrlichkeit gehört nun mir. Sie ist beinahe über Euch hinweg, wisst Ihr? Und wenn Ihr erst ganz verschwunden seid und in den Folterkammern der Kjer verrottet, wird nichts mehr zwischen uns stehen.«
Das Steak Hut hüllte Ken in eine vertraute Atmosphäre aus Unterhaltungen und Gelächter, Geschirrklappern und einem Duft, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenlief. Sie pflegten ihr Image als Fünfziger-Jahre-Diner, mit roten Kunstlederbänken, dicken Chromarmaturen und Ziegelwänden voller SchwarzWeiß-Fotos verblichener Filmdiven. Das Lokal war voll. Die Kellnerinnen hetzten mit schwer beladenen Tabletts durch die Gänge und fanden kaum Zeit, ein paar Worte zu wechseln. Die Tische waren voller Gäste, die entweder von einer Party kamen oder auf dem Weg zur nächsten noch schnell eine Stärkung suchten. Ein typischer Freitagabend.
Die Empfangsdame führte ihn zu einer Nische im hinteren Teil des Restaurants. Gerade, als sie sich zum Gehen wandte, ertönte vom Tisch hinter ihm ein Fluch. »Was macht denn der Arsch hier?«
Er ließ die Karte los und drehte sich um.
»Nicht!«, zischte eine Frauenstimme.
Er sah zuerst sie, mit ihren perfekt frisierten Haaren, die sie am Hinterkopf hochgesteckt hatte. Die Lippen leuchteten tiefrot, passend zu ihren lackierten Nägeln.
»July!« So überrascht war er, sie zu sehen, dass er für einen Moment vergaß, dass hier nur ein Tag vergangen war und nicht zwei Wochen. »Wie geht’s dir?«
Der Typ ihr gegenüber richtete sich auf. Ein Latino, nicht sehr groß, aber muskulös, die Haare eng auf dem Kopf zu Cornrows geflochten. Doggie. Ken erschrak, doch fasste sich schnell wieder. Verglichen mit den Kreaturen, gegen die er in Dämmer-Detroit hatte antreten müssen, war Doggie bestenfalls ein lächerlicher Gegner. Bei ihrer kleinen Kampflektion in der Festung des Buchstabensammlers hatte Santino ihm eingeschärft, einen Gegner mit Respekt zu betrachten, doch sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen. Respekt schützt dich vor unliebsamen Überraschungen. Angst stärkt deine Feinde.
»Kennst du den Blödmann etwa?«, fragte Doggie. Beim Aufstehen glitt seine Hand beiläufig über Julys Oberschenkel.
Sie ließ es geschehen. Neben ihr hockte ihre blöde Freundin Kristin, wie üblich so dick angemalt, dass jedes Insekt an ihr kleben blieb, das ihr versehentlich zu nahe kam.
Ken dachte an Marielle, die diese Hühner auch ohne vier Pfund Farbe im Gesicht locker in die Tasche steckte. Wo July von billigem Glitzer umgeben war, leuchtete Marielle von innen.
Aber July mit Doggie – das war ein milder Schock. So vertraut, wie Doggie mit ihr umging, hatten sie schon länger was laufen. Aber ihm gegenüber hatte sie so getan, als wäre sie rettungslos verliebt. Nicht, dass er eifersüchtig war. Nur die Frechheit dahinter, die hätte ihn wütend
Weitere Kostenlose Bücher