Purpurdämmern (German Edition)
erreichen, bevor sie ihre Waffen ziehen konnten. Sein Herz raste.
»Zum Beispiel vom Rendezvous gestern Abend.«
»Moment, ihr glaubt nicht wirklich –« Er hob die Hände in einer abwehrenden Geste. »Ihr denkt doch nicht, dass ich euch an die Bullen verpfiffen habe? Hey, ich war selber dabei.«
»Aber dich haben sie nicht festgenommen.«
»Weil ich auf dem Dach des Lagerhauses gesessen habe.«
»Hm, ich weiß nicht –« Hakennase tat so, als würde er überlegen.
»Pat hat mir nicht mal erzählt, wo wir hinfahren!«
»Der arme Kleine«, höhnte Doggie, »nie sagt ihm einer was.«
»Es ist aber nun mal so, dass jemand den Bullen einen Tipp gegeben hat.« Hakennase kam ihm so nahe, dass Ken seinen Atem roch. Knoblauch, Fäulnis, Pfefferminz. Die Mischung drehte ihm fast den Magen um. »Und alle Pfeile zeigen auf dich, Kleiner.«
Die beiden Typen, die dem Mädchen nachgegangen waren, tauchten wieder auf. »Da ist niemand. Die Kleine hat das Weite gesucht.«
»Gut für sie«, knurrte Hakennase. Ohne sichtbaren Ansatz holte er aus und grub seine Faust in Kens Magen. Ken klappte vornüber und würgte, schnappte nach Luft, während alles in ihm sich vor Panik krümmte. Seine Sicht verwischte. Er glaubte für einen Moment, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dann krachte ihm das Knie des Mannes ins Gesicht, und er hörte, wie seine Nase brach. Ein Schwall Blut floss ihm über Mund und Kinn und tropfte vor ihm in den Staub. Er musste husten und würgte noch mehr. Sein Magen rebellierte.
Jemand packte ihn von hinten und umklammerte seine Arme. Er fand sich auf den Knien wieder. Eine Hand krallte sich in sein Haar und zwang ihm den Kopf in den Nacken. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen.
»Jetzt noch mal das Ganze.« Hakennases Umrisse verschwammen vor seinem Gesicht. Der Kerl hielt plötzlich eine Pistole in der Hand und drückte sie Ken auf die Stirn. Er spürte die Mündung an seiner Haut, kalt und schwer. Seine Gedanken rasten. Was sollte er tun?
»Ich war’s nicht«, stieß er hervor. »Ich hab euch nicht verraten.«
Der Druck der Waffe ließ etwas nach. »Pat hat gerade ein paar Probleme. Sie wollen ihn umdrehen, wie findest du das? Wollen, dass er den McKinney verrät.«
Er keuchte nur. McKinney hatte seine schmutzigen Finger in buchstäblich allem drin, von Schutzgelderpressung über Drogenhandel bis hin zu Wettbetrug. Na sicher wollten sie, dass Pat gegen ihn aussagte.
»Was wollten die Bullen heute von dir?«
»Das, was sie immer wollen.«
Die Waffe schrammte so heftig über sein Jochbein, dass er vor Schmerz zusammenzuckte. »Keine Spitzfindigkeiten.«
»Sie wollten wissen, wo Pat die letzten Tage war. Mit wem er telefoniert hat. Das Übliche.«
»Und was hast du gesagt?«
»Das, was ich ihnen immer sage.«
Maßlose Erleichterung überflutete Ken, als die Pistole verschwand. Benommen versuchte er, sich aufzurichten, doch die Typen, die ihn festhielten, verdrehten ihm die Arme und zwangen ihn zurück auf die Knie.
»Was –« Weiter kam er nicht, denn ein Schnürstiefel traf ihn unter dem Brustbein, schleuderte ihn rücklings zu Boden und trieb ihm alle Luft aus den Lungen.
»Damit du nicht vergisst, was mit Leuten passiert, die uns verpfeifen.« Das war Doggie. »Nur als kleine Warnung.«
Gelächter flackerte auf. Ein Tritt gegen die Seite jagte solchen Schmerz durch seinen Körper, dass er fürchtete, sie hätten ihm alle Rippen gebrochen. Stöhnend wälzte er sich herum. Die Halle drehte sich. Noch eine Silhouette. Sie waren zu sechst? Wo kam der sechste Kerl her? Ein schwarzer Mantel bauschte sich um seine Knie.
Mehr Tritte, gegen das Rückgrat, die Schulter. Instinktiv riss er die Arme hoch, um seinen Kopf zu schützen.
»Hey!«, rief Hakennase. »Verpiss dich!«
Ken verstand die Antwort des Mannes nicht, weil ihn eine Stiefelkappe unter der Kehle erwischte. Er musste husten und würgen zugleich, Galle stieg ihm in den Mund und mischte sich mit dem Geschmack seines eigenen Blutes. Sekundenlang glaubte er, zu ersticken.
»Bist du schwer von Begriff?«
Als er wieder sehen konnte, erfasste er Hakennases Hand, die unter die Jacke fuhr, zur Pistole. O nein.
Fast im gleichen Moment krachte ein Schuss. Hakennase sank neben ihm auf die Knie. In einer Mischung aus Schock und Unglauben starrte Ken auf das kreisrunde Einschussloch in der Schulter des Mannes, um das herum das T-Shirt sich mit Blut vollsog.
Und dann brach die Hölle los.
Santino zog sein Schwert, die Beretta
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