Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurdämmern (German Edition)

Purpurdämmern (German Edition)

Titel: Purpurdämmern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
Vom Netzwerk:
er. »Sind Sie ein Cop?«
    Santino schüttelte den Kopf.
    Er musste das verdammte Tor finden, bevor es verblasste. Der Junge sagte noch etwas, aber er hörte es nicht mehr, wandte sich ab und rannte zurück zu den Arkaden. Marielle brauchte eine Form, also hatte sie das Portal unter einem Türdurchgang oder in einem der Bögen errichtet. In seinem Hinterkopf lauerte noch immer die Frage, wie sie das geschafft hatte, in einer Welt so nahe am Kern, dass Magie praktisch nicht mehr existierte. Andererseits war Marielle auch in der Lage, Verbindungen zwischen dem Rabenfächer und dem Scharlachrot aufzureißen. Bei Sarrakhans goldenen Zähnen, das Mädchen war ein unerschöpflicher Quell von Überraschungen, selbst nach zehn Jahren noch. Und er wusste in solchen Momenten nie, ob er amüsiert oder wütend sein sollte.
    Hier.
    Er blieb zwischen zwei Pfeilern stehen. Fehlte nur noch der Schlüssel. Sein Lächeln vertiefte sich. Die Zeiten, in denen sie ihn ausgetrickst hatte, waren lange vorbei. Er entkorkte die Phiole mit ihrem Blut, benetzte seine Fingerspitze und verschloss das Fläschchen wieder. Von diesem kleinen Geheimnis wusste sie nichts, und das war auch gut so. Ein Lehrer sollte seiner Schülerin stets einen Schritt voraus sein.
    Er trat durch die Pfeiler und blieb stehen. Irritiert drehte er sich um die eigene Achse. Das Tor hatte nicht reagiert. Er versuchte es erneut von der anderen Seite, doch ohne Erfolg. Was stimmte nicht? Hatte sie ausnahmsweise einen anderen Schlüssel benutzt? In diesen Dingen handelte Marielle pragmatisch und sehr vorhersehbar. Fast alle ihre Tore band sie an ihr eigenes Blut. Eine simple Methode, um zu verhindern, dass Fremde es aufstoßen konnten.
    Doch dieses hier reagierte nicht.
    Verdammt.
    Er machte einen Schritt zurück und musterte das schwarz angelaufene Mauerwerk. In seine Konzentration krachte ein Schuss.
    Ein Schlag gegen seine Schulter brachte ihn ins Taumeln. Geistesgegenwärtig drehte er sich um, sackte zugleich in die Knie, seine Hand schloss sich wie von selbst um die Pistole in seinem Gürtel. Die zweite Kugel schlug dort in den Stein, wo gerade noch sein Kopf gewesen war. Ein Regen feiner Splitter ging auf seinen Nacken nieder. Er zog den Abzug der Beretta durch, der Schuss löste sich, er fing den Rückstoß mit dem Handgelenk ab. Ein Schrei. Geräuschvoll polterte die Pistole des hakennasigen Mannes zu Boden.
    Santino stieß den Atem aus und verwünschte seine eigene Sorglosigkeit. Das hätte schiefgehen können. Der Junge, der inzwischen auf die Füße gekommen war, trat die Pistole des Hakennasigen fort. Die Waffe schlitterte über den Boden und blieb am Fuß einer Säule liegen. Hakennase wimmerte.
    »Alles okay?« Der Junge stürzte ihm entgegen. »Sind Sie verletzt?«
    Er antwortete nicht, ließ aber die Beretta sinken und tastete nach seiner Schulter. Seine Finger fanden das Loch, das die Kugel ins Leder seines Mantels gerissen hatte, und darunter die Eintrittsstelle. Bei Sarrakhan, der Schmerz! Er zuckte zurück. Warm rann ihm Blut über die Finger.
    Genau das, was er jetzt brauchte. Ein Fluch stieg ihm in die Kehle. Er machte einen Schritt nach vorn und geriet ins Schwanken. Der Junge fing ihn praktisch auf.
    »Sie brauchen einen Arzt!«, keuchte er. »Lehnen Sie sich gegen die Wand, ich rufe die Ambulanz.«
    Santino versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Er hatte keine Zeit, er musste das Tor aktivieren. Nicht auszudenken, was Marielle anstellte, wenn er sie nicht rechtzeitig einholte. König Eoghan hatte den Widerspruchsgeist seiner Tochter unterschätzt. Und selbst Santino hatte nicht geglaubt, dass sie einfach ausreißen würde, wie ein beleidigter Teenager.
    Nur dass Ausreißen bei Marielle nicht hieß, Unterschlupf bei Freunden in einem anderen Viertel zu suchen, sondern dass sie sich gleich ans andere Ende des Universums aufmachte. Wenn sie von einem ihrer Wutanfälle getrieben wurde, konnte das unübersehbare Folgen haben. Wie zum Beispiel, dass ihre überschäumenden Emotionen in den Torschlüssel hineinflossen und ein Teil davon wurden, ohne dass sie es bemerkte, und sie dann den Weg nicht zurückfand, weil das Tor sich nicht mehr öffnete, wenn sie es klaren Geistes betrat.
    Eine Welle von Benommenheit lief über ihn hinweg. Für ein paar Herzschläge wurde ihm schwarz vor Augen. Er rieb sich über den Nacken und entdeckte noch mehr Blut auf seiner Hand. Der Streifschuss am Hals hatte eine tiefe Furche gerissen, die nicht aufhören wollte zu

Weitere Kostenlose Bücher