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Purpurfalter

Purpurfalter

Titel: Purpurfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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bot. Nicht mal einen abzweigenden Korridor besaß dieses Gefängnis. Es war, als ständen sie im Bauch einer gläsernen Schlange. Vorsichtig schlichen beide vorwärts. Während Mogall die Wachen auf dem Dach im Auge behielt, linste Loreena in die einzelnen Zellen. Konnte sie Lomas in der Finsternis ausmachen? Hatte er sich nach der langen Gefangenschaft verändert? Sie schob ihre Zweifel beiseite. Angestrengt starrte sie den Gefangenen ins Gesicht. Viele schliefen und hatten die Decke bis unters Kinn gezogen.
    Mogall flog zu Loreena herum. Durch die abrupte Bewegung zuckte sie zusammen. Er deutete mit dem Haupt zu den Wachen auf dem Dach, die sich voneinander entfernten. Wie zu Eis erstarrt blieben sie stehen. Loreena begann erneut zu zittern. Der Mut, der sie in Küstenmark veranlasst hatte ihrem Vater zu folgen, verschwand wie der weiße Nebel, der bei jedem Ausatmen entstand.
    Einer der Aufseher auf dem Dach stellte sich an den Rand und blickte über die Siedlung. Der andere Wachmann war in der Dunkelheit nicht mehr auszumachen. Langsam schlichen Loreena und Mogall weiter. Die Kapuze hinderte Loreena daran, sich umzuschauen. Bevor sie den Pelz vom Haupt streifen konnte, fasste der Vampir ihr Handgelenk. Verärgert schüttelte er den Kopf. Sie suchte weiter nach ihrem Bruder. Plötzlich riss sie vehement an Mogalls Hand. Als er die Stirn runzelte, zeigte sie auf die Tür der gegenüberliegenden Zelle.
    „Lomas?“, formte der Blutsauger lautlos mit den Lippen, aber Loreena winkte ab. Erneut deutete sie auf die Tür. Endlich erkannte er, was sie meinte, und schloss die Augen für einen kurzen Moment. Die Zellen besaßen keine Türen! Durchsichtige Eisblöcke umgaben die Gefangenen. Bis auf einen Spalt als Durchreiche fürs Essen, der zum Gang hin zeigte, besaßen die Zellen keine Öffnungen. Loreena fragte sich, wie die Häftlinge mit der wenigen frischen Luft leben konnten, aber den König Frostlandes interessierte dies offensichtlich nicht. Am hinteren Rand der Zellen floss Wasser, das die Exkremente wegschwemmte. Sie vermutete, dass es aus dem Ankerle Fluss umgeleitet wurde. Sie wollte fragen, weshalb das Wasser nicht gefror, vermied es jedoch, Mogall darauf anzusprechen. Bis auf ein paar Eisblöcke zum Schlafen gab es absolut nichts in den Zellen.
    Sie gingen vorsichtig weiter. Immer näher kam die Kerze, die Loreena von außerhalb gesehen hatte. Zwei Männer hockten in einer Ausbuchtung auf Eisblöcken. Hitzköpfig waren sie in ein seltsames Spiel mit Knochen vertieft. Bald musste der Mann, der ihnen das Gesicht zuwandte, die Eindringlinge entdecken. Da sah Loreena ihren Bruder! Lomas saß auf der Pritsche in der Zelle gegenüber, den Rücken gegen die Wand gelehnt, die Augen geschlossen, mit angewinkelten Beinen, nur ein paar Schritte von den spielenden Wachen entfernt. Sein dunkelblonder Bart reichte ihm bis zum Brustkorb. Beim Anblick seines abgemagerten Körpers übermannte sie Mitleid.
    Sie würden nicht an ihn herankommen, ohne die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen. Ratlos sah sie Mogall an, der auch ohne Worte verstanden hatte, wen sie vor sich hatten. Gedankenversunken kraulte er seinen Spitzbart. Sie waren ihrem Ziel nah und dennoch schien es weiter entfernt als zuvor.
    Mogall beugte sich an ihr Ohr. „Wir müssen den Eisblock über der Durchreiche mit den Klingen unserer Schwerter lautlos abtrennen.“
    Loreena zog die Augenbrauen hoch. Sicherlich käme Lomas durch das entstandene Loch hinaus in den Gang. Doch die Wachen würden den Fluchtversuch bemerken und Alarm schlagen. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Erschrocken fuhr sie herum. Klavorn lächelte sie entschuldigend an. Einen ganzen Kopf größer thronte das Gesicht des Vampirs über Loreena. Mogall zeigte auf Lomas und Klavorn verstand.
    Dann wurde es unruhig in ihrer Nähe. Einer der Wachen schmiss die Knochen gegen eine Zellenwand. Mit erhitzten Wangen stand er auf und beschimpfte den anderen. Loreena zog an Mogalls Ärmel. Sie mussten etwas tun. Er brauchte nur wenige Schritte und wäre bei ihnen, brauchte sich nur umzudrehen, um sie durch Eisblöcke hindurch zu sehen.
    Verzweifelt sah sie Mogall an. Ihr Blick flehte ihn an, etwas zu tun, doch er war genauso ratlos wie sie. Hektisch umfasste er den Zweihänder. Bevor er ihn ziehen konnte, legte Loreena ihre Hand auf die seine. Ein Kampf half ihnen nicht. Noch schrien die Wachen sich an. Da klopfte Klavorn auf Loreenas Schulter und deutete auf Lomas. Er war auf

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