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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hoch und schob seine Hand darunter.
    Die Laute, die beide von sich gaben, empfand Juliette als widerwärtig und abstoßend. War das der Mann, mit dem sie eine Nacht voller Zärtlichkeit verbracht hatte? Der liebenswerte, einfühlsame Claudio?
    Eine Zeitlang beobachtete sie das Treiben, ohne zu wissen, was sie tun sollte. Dann stieg unbändige Wut in ihr auf. Sie fühlte sich erniedrigt, mißbraucht und schämte sich vor sich selbst, weil sie einem Kerl auf den Leim gegangen war, der es heute mit der, morgen mit jener trieb. Römische Männer waren wirklich die schlimmsten der Welt.
    Juliette stieg die Treppe hinunter.
    Claudio bemerkte sie zunächst nicht. Doch als sie plötzlich über ihm stand, blickte er zu ihr hoch und verharrte mitten in seinen Bewegungen.
    »Darf ich vorbei?« fragte Juliette, als wäre nichts geschehen.
    Claudio ließ von dem Mädchen ab, stammelte irgend etwas und versuchte hastig, seine Hose zu ordnen.
    Einen Augenblick hielt Juliette inne; dann machte sie einen großen Schritt über die Beine des Mädchens hinweg. Sie war ein junges Ding, kaum zwanzig, grell geschminkt und mit gefärbten Haaren. Daß Claudio sich mit so einer hergelaufenen Schlampe abgab, kränkte Juliette um so mehr.
    Mit gespielter Gleichgültigkeit sagte sie zu der jungen Frau: »Ich hoffe, Sie sind nicht allzu sehr von ihm enttäuscht, Signorina. Er ist ein lausiger Liebhaber. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
    Noch immer erschreckt über ihr plötzliches Auftauchen und verblüfft von so viel Kaltschnäuzigkeit, zogen die beiden verschämt ihre Kleidung zurecht und gaben Juliette den Weg frei. Sie stieg die Treppe hinunter, ohne Claudio auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Der räusperte sich und rief Juliette hinterher: »Warte, ich muß dir etwas erklären!«
    Juliette machte eine wegwerfende Handbewegung und ging weiter. Sie war schon im ersten Stock, als sie sich noch einmal umdrehte und nach oben rief daß es durchs Treppenhaus schallte: »Das kannst du ja deiner puttana anvertrauen. Die kleine Schlampe glaubt dir vielleicht noch!«
    Auf der Straße schlug Juliette der Geruch von Pizza, Knoblauch und Meeresfrüchten entgegen. In Trastevere gibt es kaum eine Straße, in der nicht mindestens zwei Trattorien um Gäste buhlen, was in der Hauptsache dadurch geschieht, daß die Küchendüfte mit großem Geschick auf die Straße gelenkt werden.
    Was bist du doch für eine dumme Pute, ging es Juliette durch den Kopf. Benimmst dich wie ein alberner Teenager und verknallst dich in den nächstbesten Gigolo. Es mußte ja so kommen.
    Während sie die Straße entlangging und überlegte, ob sie sich zu Brodka ins Albergo Waterloo begeben sollte – schließlich hatte sie ihre Ankunft erst für den folgenden Tag angekündigt –, verspürte sie plötzlich Hunger. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen; deshalb ließ sie sich in einer Trattoria nieder, die sich durch bunt bemalte Tische und Stühle auszeichnete, die sorgsam ausgerichtet auf der Straße standen und von roten Lampions beleuchtet wurden.
    Sie überflog die handgeschriebene Karte, bestellte Spaghetti alla Vongole und eine Karaffe Vino della casa. Müde stützte sie den Kopf in beide Hände und beobachtete den Strom der Passanten, der an der Trattoria vorüberzog. Sie hätte sich ohrfeigen können, wenn sie an Claudio dachte.
    Die Spaghetti dufteten vorzüglich, und Juliette benutzte nach Art der Italiener eine klaffende Muschel als Zange, um die übrigen Muscheln aus ihrer Schale zu ziehen. Sie war so eingehend mit dieser Aufgabe beschäftigt, daß sie gar nicht bemerkte, wie ein wohlbeleibter Herr am Nebentisch Platz nahm.
    Als sie aufsah, nickte der Dicke freundlich. Sie kannte den Mann von irgendwoher, doch noch ehe sie eingehender darüber nachdenken konnte, sagte der Tischnachbar freundlich und auf deutsch: »Na, schöne Frau, heute ganz allein?«
    Juliette war nicht in der Stimmung, auf irgendeine Anmache zu reagieren; dann aber fiel ihr plötzlich ein, woher sie den Mann kannte: Es war der Schriftsteller aus der Trattoria an der Piazza Navona.
    Juliette rang sich ein mühevolles Lächeln ab, hob die Schultern und erwiderte: »Ja, wie Sie sehen.«
    »Haben Sie Ärger?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie machen einen niedergeschlagenen Eindruck, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Nein«, antwortete Juliette kurz angebunden.
    »Sie haben recht. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen Kerlen anquatschen. Bitte, entschuldigen

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