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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Barpianisten der Welt. Was gäbe ich darum, einer von denen zu sein.«
    Nach einer Pause stellte Juliette die Frage: »Kennst du ›Ach dieser Liebe gewaltige Zaubermacht‹ aus La Traviata?«
    Norbert blickte schmunzelnd zur Decke, als stünden dort die Noten der Arie geschrieben; dann setzte er drei Akkorde und wechselte die Tonart. Und mit jenem einschmeichelnden Pathos, der diesem Stück eigen ist, spielte er Verdis Liebesmelodie.
    War es der Glanz in ihren Augen oder seine Überzeugung, daß jede Melodie im Leben eines Menschen eine ganz bestimmte Bedeutung hat? Jedenfalls schaute Norbert Juliette lange an; dann sagte er frei heraus: »Laß mich raten, Juliette. Er ist Italiener, hat dunkles Haar, sieht blendend aus und ist vermutlich sogar ein paar Jahre jünger als du …«
    Juliette musterte den Pianospieler mit großen Augen. »Woher willst du das wissen?«
    »So was ahnt man.«
    »Und wenn ich dir sage, du hast recht?«
    »Dann wäre es keine Überraschung für mich.«
    Juliette fühlte sich ertappt. Aber es war ihr nicht unangenehm, im Gegenteil. Nun konnte sie sich Norbert vorbehaltlos anvertrauen.
    »Sag mal«, begann sie vorsichtig, »glaubst du, daß eine Frau zwei Männer gleichzeitig lieben kann?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
    »Warum nicht?«
    »Wenn du behauptest, zur selben Zeit in zwei Männer verliebt zu sein, betrügst du dich selbst. Vermutlich liebst du keinen von beiden; denn was du als Liebe zu dem einen bezeichnest, ist nur Gewohnheit, und das Gefühl für den anderen ist Begehren oder Leidenschaft, bestenfalls Liebelei.«
    Juliette trat zu Norbert, der immer noch am Klavier saß, und sagte: »Wenn ich nur wüßte, was ich tun soll. Er heißt Claudio. Ich habe ihn in Rom kennengelernt.«
    Norbert wiegte den Kopf. »Hör mir auf mit den römischen Männern! Sie haben den schlechtesten Ruf der Welt.«
    »Das ist nicht wahr!« fuhr Juliette auf, um dann kleinlaut fortzufahren: »Das heißt … es mag schon stimmen, aber Claudio ist ein anständiger Junge.«
    »Dann nimm ihn.«
    »Ich liebe Brodka.«
    »Dann bleib bei Brodka.«
    Juliette seufzte. »Du machst es mir auch nicht gerade leichter.«
    Norbert hob beide Arme. »Das ist eine Angelegenheit, die du ganz allein entscheiden mußt. Hör nicht auf deinen Verstand, sondern auf dein Gefühl. Das ist der einzige Rat, den ich dir geben kann. Alles andere ergibt sich von selbst.«
    Was ihre Gefühle betraf, fühlte sich Juliette noch immer zu Brodka hingezogen. Doch der Gedanke an Claudio erregte sie. Mehr als einmal – und stets ohne Ergebnis – hatte sie sich die Frage gestellt: Was hat dieser Junge, das Brodka nicht hat?
    Claudio sah nicht besser aus als Brodka, im Gegenteil; mit Brodka war gewiß mehr Staat zu machen als mit diesem jungen Römer. Und Brodka war ein weltgewandter Mann, selbstbewußt, erfahren und erfolgreich. Claudio dagegen war ein liebenswerter Softie, eher hilfsbedürftig als mit jener sprichwörtlich starken Schulter ausgestattet, an die eine Frau sich anlehnen konnte.
    Was also war es, das sie an Claudio so anziehend fand?
    Hätte Juliette eine Antwort darauf gewußt, wäre vieles einfacher gewesen.
    »Und wie sehen deine weiteren Pläne aus?« fragte Norbert, als er erkannte, daß Juliette mit ihren Gedanken weit weg war.
    »Ich habe morgen einen Gerichtstermin in Sachen Bilderfälschungen. Dann fliege ich nach Rom zurück.«
    »Zu Claudio oder zu Brodka?«
    Juliette lächelte, auch wenn ihr gar nicht danach war. »Ich glaube, ich gehe jetzt lieber. Sonst machst du es mir mit deinen Fragen noch schwerer.«
    Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als ihr etwas ins Auge fiel, das ihr Blut in den Adern gefrieren ließ. Achtlos, aber deutlich sichtbar, lag auf dem Klavier eine Purpurschlinge.
    Juliette fiel es schwer, sich nichts anmerken zu lassen, nicht in Panik fortzurennen. Es gab keinen Zweifel. Norbert, dem sie vertraut hatte, spielte ein falsches Spiel.
    Der Gerichtstermin am Morgen des folgenden Tages verlief für Juliette höchst unerfreulich. Der Staatsanwalt konfrontierte sie mit zwei Gutachten von Dr. Senger und Professor Reimann, die bestätigten, daß es sich bei den Grafiken von Jawlensky und bei dem bereits verkauften de Chirico eindeutig um Fälschungen handelte. Reimann, so der Staatsanwalt, habe die Behauptung aufgestellt, es sei kaum vorstellbar, daß eine anerkannte Expertin und Kunsthändlerin wie Juliette Collin die Falsifikate nicht bemerkt haben

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